Blood - Ein Alex-Cross-Roman
es aber nicht. Es wurde so schlimm, dass ich nach unten ging und mir noch einmal Tyler Perrys Film »Das verrückte Tagebuch« anschaute. Um ehrlich zu sein, ich ertappte mich dabei, wie ich laut jubelnd vor der Flimmerkiste saß. Der Film passte einfach perfekt zu meinem Gemütszustand.
Am nächsten Morgen gegen neun Uhr rief ich Tony Woods im Büro des Direktors an. Dann schluckte ich meinen Stolz hinunter und bat Tony um Hilfe bei meinen Ermittlungen in diesem Mord- und Vergewaltigungsfall. Ich musste erfahren, ob das FBI irgendetwas über diesen Profikiller, den so genannten Schlachter, wusste, irgendetwas, was Sampson und mir weiterhelfen konnte, vielleicht gab es dort ja irgendwelche Informationen, die der Geheimhaltung unterlagen.
»Wir haben gewusst, dass Sie anrufen würden, Alex. Direktor Burns legt großen Wert auf eine weitere Zusammenarbeit mit Ihnen. Wie wär’s mit ein paar beratenden Gesprächen? Nichts Schwerwiegendes. Sie bestimmen den Inhalt und den Zeitpunkt, besonders jetzt, wo Sie wieder ganze Fälle übernehmen.«
»Wer hat denn gesagt, dass ich wieder Fälle übernehme? Das hier ist eine Ausnahmesituation«, erwiderte ich. »Der Schlachter hat vermutlich vor Jahren meine Frau umgebracht. Es handelt sich um diesen einen Fall, den ich einfach nicht ungelöst lassen kann.«
»Ich verstehe. Ich verstehe voll und ganz. Wir unterstützen Sie, so gut wir können. Ich besorge Ihnen alles, was Sie brauchen.«
Tony sorgte dafür, dass ich das Büro eines Agenten benutzen konnte, der gerade nicht in der Stadt war, und er war einverstanden, dass ich mit einer FBI-Analystin namens Monnie Donnelley sprach.
»Ich habe bereits Kontakt zu Monnie aufgenommen«, sagte ich.
»Das wissen wir. Monnie hat es uns erzählt. Wir haben ihr jetzt die Genehmigung erteilt. Offiziell .«
Während der nächsten Tage wohnte ich mehr oder weniger im FBI-Gebäude. Es stellte sich heraus, dass das Bureau eine ganze Menge über Michael Sullivan, den Schlachter, wusste. In seiner Akte lagen auch Dutzende von Fotos. Ein Problem bestand darin, dass die Fotos fünf bis sieben Jahre alt waren und dass es allem Anschein nach in letzter Zeit keinerlei Kontakt mit Sullivan gegeben hatte. Wohin war er verschwunden? Ich erfuhr, dass Sullivan in Brooklyn aufgewachsen war, in einem Viertel, das »Flatlands« genannt wurde. Sein Vater war dort tatsächlich Schlachter gewesen. Ich erhielt sogar ein paar Namen alter Freunde und Bekannter von Sullivan aus der Zeit, als er noch in New York gelebt hatte.
Ich erfuhr eigenartige Einzelheiten über Sullivans Hintergrund. Bis zur zehnten Klasse hatte er kirchliche Schulen besucht und war ein guter Schüler gewesen, obwohl er sich anscheinend nie besonders angestrengt hatte. Dann hatte
Sullivan die Schule verlassen. Er hatte sich der Mafia angeschlossen und sich als einer der wenigen Nicht-Italiener dort behauptet. Er war vielleicht kein »gemachter Mann«, aber er wurde gut bezahlt. Anfang zwanzig besaß er ein sechsstelliges Jahreseinkommen und war der wichtigste Killer von John Maggione Senior. Sein Sohn, der augenblickliche Don, hatte Sullivan nie gemocht.
Dann hatte eine Entwicklung eingesetzt, die bei allen, die sich mit ihm befassten, für große Verwirrung und Bestürzung gesorgt hatte. Es gab Berichte, dass Michael Sullivan die Leichen seiner Opfer misshandelt und verstümmelt hatte. Er sollte einen Priester und einen Laien an seiner alten Grundschule, die des sexuellen Missbrauchs von Jungen beschuldigt worden waren, umgebracht haben. Noch ein paar Fälle von aktiver Selbstjustiz. Ein Gerücht, dass er seinen eigenen Vater ermordet hatte, der eines Abends aus seinem Geschäft verschwunden und bis zum heutigen Tag nicht wiederaufgetaucht war.
Doch irgendwann schien Sullivan plötzlich komplett aus dem Blickfeld des FBI verschwunden zu sein. Monnie Donnelley teilte meine Vermutung: Sullivan war möglicherweise zum Informanten eines Mitarbeiters geworden. Gut möglich, dass das FBI oder die New Yorker Polizei ihn deckte. Vielleicht war Sullivan sogar in einem Zeugenschutzprogramm. War es das, was mit Marias Mörder geschehen war?
War er ein Schnüffler?
War der Schlachter ein Protegé des FBI?
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John Maggione junior war ein stolzer Mann, manchmal vielleicht ein bisschen zu protzig, zu selbstgefällig, aber er war nicht dumm und für gewöhnlich auch nicht unvorsichtig. Er war sich über seine momentane Lage im Zusammenhang mit diesem wahnsinnigen Killer, den sein Vater früher
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