Blood - Ein Alex-Cross-Roman
Ordnung bei dir da hinten?«, rief er, um das Rumpeln und Rattern des Lieferwagens zu übertönen.
Keine Antwort, nichts zu hören aus dem Laderaum.
»Hab ich mir gedacht, Kumpel. Mach dir keine Sorgen, die Post und so weiter muss rollen. Egal, ob Regen, Schnee, Graupel, Tod.«
Er brachte den großen, braunen Lieferwagen vor einem mittelgroßen Ranch-Gebäude in Roslyn zum Stehen. Dann schnappte er sich ein paar sperrige Paketschachteln von dem Metallregal hinter dem Fahrersitz. Er steuerte die Haustür an, mit schnellen Schritten, in Eile, genau wie die braun gekleideten Burschen im Fernsehen, und pfiff dazu sogar eine fröhliche Melodie.
Der Schlachter klingelte. Wartete. Immer noch pfeifend. Eine perfekte Schauspielleistung, dachte er.
Eine Männerstimme drang aus der Sprechanlage: »Was denn? Wer ist da? Wer?«
»UPS. Paketlieferung.«
»Stellen Sie’s vor die Tür.«
»Ich brauch’ne Unterschrift, Sir.«
»Ich habe gesagt, stellen Sie’s vor die Tür. Die Unterschrift ist egal. Lassen Sie das Paket da. Bye-bye.«
»Tut mir leid, Sir, das darf ich nicht. Tut mir wirklich leid. Ich mach bloß meine Arbeit.«
Die Sprechanlage blieb stumm. Dreißig Sekunden verstrichen, fünfundvierzig. Vielleicht war hier ein Plan B notwendig.
Schließlich tauchte ein sehr großer und breitschultriger Mann in einem schwarzen Nike-Trainingsanzug auf. Er war eine sehr beeindruckende Erscheinung, das war nur logisch, da er früher einmal Profi-Footballer bei den New York Jets und den Miami Dolphins gewesen war.
»Haben Sie’s mit den Ohren, oder was?«, sagte er. »Ich habe gesagt, Sie sollen das Paket auf der Veranda abstellen. Capisce?«
»Nein, Sir. Ich bin übrigens irischer Abstammung. Ich darf diese wertvollen Pakete nicht ohne Unterschrift hierlassen.«
Der Schlachter reichte ihm das Gerät für die elektronische
Erfassung der Unterschrift, und der mächtige Exfootballer kritzelte wütend einen Namen in das vorgegebene Feld.
Der Schlachter sah nach − Paul Mosconi , zufälligerweise Mafia-Soldat und Ehemann von John Maggiones kleiner Schwester. Das war dermaßen gegen die Regeln, aber, die Frage musste erlaubt sein: Gab es denn eigentlich überhaupt noch Regeln? Bei der Mafia, der Regierung, den Kirchen, in der ganzen durch und durch verrotteten Gesellschaft?
»Nehmen Sie’s nicht persönlich«, sagte der Schlachter.
Plopp.
Plopp.
Plopp.
»Du bist tot, Paul Mosconi. Der Oberboss wird ziemlich wütend auf mich sein. Ach, und übrigens: Früher war ich auch mal Jets-Fan. Aber jetzt bin ich für New England.«
Dann bückte sich der Schlachter und fuhr dem toten Mann wieder und wieder mit dem Skalpell durchs Gesicht. Anschließend schlitzte er ihm die Kehle auf, kreuzweise, direkt über dem Adamsapfel.
Eine Frau streckte den Kopf ins Wohnzimmer, Lockenwickler in den dunklen Haaren, und fing an zu kreischen. »Pauli! Pauli, oh, mein Gott! Oh, Pauli, oh, Pauli! Nein, nein, nein!«
Der Schlachter präsentierte der gequälten Ehefrau seine schönste Verbeugung.
»Grüßen Sie Ihren Bruder von mir. Er hat Ihnen das angetan. Ihr großer Bruder hat Pauli auf dem Gewissen, nicht ich.« Er wollte sich schon abwenden, da drehte er sich noch einmal zu ihr um. »Ach ja, herzliches Beileid.«
Er verbeugte sich noch einmal.
95
Vielleicht waren wir jetzt da. Am Ende eines langen, verschlungenen Weges, der mit Marias Tod begonnen hatte.
Sampson und ich fuhren auf dem Long Island Expressway bis zum Northern State Parkway und dann weiter bis ganz an die Spitze von Long Island. Wir folgten dem Verlauf der Route 27 und gelangten schließlich in das Dorf Montauk, von dem ich bis zu diesem Zeitpunkt lediglich gelegentlich den Namen gehört oder gelesen hatte. Hier sollte sich nach Anthony Mullinos Angaben Michael Sullivan und seine Familie verstecken. Angeblich waren sie erst heute hierhergezogen.
Nach einer zwanzigminütigen Suche in uns unbekannten Seitenstraßen entdeckten wir das Haus. Bei unserer Ankunft warfen zwei Jungen auf einem winzigen Stück Rasen sich gegenseitig einen aufgebläht wirkenden Football zu. Blonde, irisch aussehende Kinder. Ziemlich sportlich, vor allem der kleinste. Die Gegenwart der Kinder konnte die ganze Sache für uns sehr viel komplizierter machen.
»Meinst du wirklich, dass er hier draußen ist?«, fragte Sampson, als er den Motor abstellte. Wir standen mindestens dreißig Meter vom Haus entfernt und waren kaum zu sehen. Wir wollten nichts riskieren.
»Mullino sagt, er sei ziemlich
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