Blood - Ein Alex-Cross-Roman
oft umgezogen, aber dass er jetzt garantiert hier sei. Das Alter der Kinder kommt hin. Dann gibt es noch einen älteren Jungen, Michael junior.«
Ich kniff die Augen zusammen. »Der Wagen in der Einfahrt hat Nummernschilder aus Maryland.«
»Ist wahrscheinlich kein Zufall. Sullivan soll ja irgendwo in
Maryland gelebt haben, bevor er sich mit seiner Familie auf die Flucht gemacht hat. Ist auch logisch, dass es in der Nähe von Washington war. Das würde die Vergewaltigungen erklären. So langsam ergibt sich ein klares Bild.«
»Seine Kinder haben uns noch nicht bemerkt. Ich hoffe, das gilt auch für Sullivan. Belassen wir’s dabei, John.«
Wir fuhren los, und Sampson stellte den Wagen zwei Straßen weiter ab. Dann holten wir die Gewehre und Pistolen aus dem Kofferraum.
Wir schlugen uns hinter einer Reihe bescheidener Häuser mit Meeresblick in die Büsche. Im Haus der Sullivans brannte kein Licht, und bis jetzt hatten wir noch niemanden gesehen.
Keine Caitlin Sullivan, keinen Michael Sullivan, falls sie im Haus waren, dann hielten sie sich von den Fenstern fern. Das erschien mir durchaus sinnvoll. Außerdem wusste ich, dass Sullivan ein guter Gewehrschütze war.
Ich setzte mich auf den Boden, den Rücken an einen Baumstamm gelehnt, und kauerte mich zum Schutz vor der Kälte zusammen, das Gewehr im Schoß. Ich überlegte, wie wir Sullivan erledigen konnten, ohne dass seiner Familie etwas zustieß. War das überhaupt möglich? Nach einer Weile fing ich wieder an, an Maria zu denken. War ich endlich der Aufklärung ihrer Ermordung auf der Spur? Ich war mir nicht sicher, aber ich hatte so ein Gefühl. Oder war mein Wunsch der Vater des Gedankens?
Ich zog meine Brieftasche hervor und holte ein altes Bild aus einer Plastikhülle. Sie fehlte mir immer noch, jeden Tag. In meiner Vorstellung würde Maria immer dreißig Jahre alt sein, nicht wahr? Ein schrecklich vergeudetes Leben.
Aber sie hatte dafür gesorgt, dass ich jetzt hier war, nicht
wahr? Warum sonst hätten Sampson und ich uns alleine auf den Weg machen sollen, um den Schlachter zur Strecke zu bringen?
Weil niemand erfahren sollte, was wir mit ihm vorhatten.
96
Der Schlachter sah rot und das hatte normalerweise negative Auswirkungen auf die Anzahl der Weltbevölkerung. Um genau zu sein, er wurde von Minute zu Minute wütender. Von Sekunde zu Sekunde. Verdammt noch mal, er hasste John Maggione.
Also behalf er sich mit der einen oder anderen kleinen Ablenkung. Sein altes Viertel hatte nicht mehr viel Ähnlichkeit mit seinen Erinnerungen. Er hatte es damals schon nicht gemocht, mittlerweile war es ihm noch gleichgültiger geworden. Wie in einer Art Déjà-vu folgte er dem Verlauf der Avenue P und bog dann nach links in den Bay Parkway ein.
Soweit er wusste, befand er sich jetzt im Haupteinkaufsgebiet von Bensonhurst. Straßenzug für Straßenzug reihten sich rote Backsteingebäude mit Läden im Erdgeschoss aneinander: Spaghettifresser-Restaurants, deren Bäckereien, deren Delis, Spaghettifresser überall. Manche Dinge änderten sich eben nie.
In seinem Kopf blitzten wieder Bilder aus dem Geschäft seines Vaters auf − alles immer strahlend weiß. Der Kühlraum mit seiner weißen Emailletür, dahinter Rinderviertel an Haken hängend, Glühbirnen in Metallkäfigen an der Decke montiert, überall Messer, Beile, Sägen. Da stand sein Vater, die Hand unter die Schürze geschoben… darauf wartend, dass sein Sohn ihm einen blies.
An der Eighty-first Street wandte er sich nach rechts. Und da war er. Nicht der alte Schlachterladen, etwas viel Besseres. Rache, ein Gericht, das am besten kochend heiß serviert wird!
Auf dem hinteren Parkplatz des Social Clubs stand Maggiones Lincoln. Nummernschild ACF 3069. Er war sich so oder so ziemlich sicher, dass das Juniors Auto war.
Fehler?
Aber wessen Fehler, fragte er sich, während er weiter die Eighty-first Street entlangging. War Junior so ein arrogantes Arschloch, dass er einfach kommen und gehen konnte, wie es ihm passte? War es denn möglich, dass er gar keine Angst vor dem Schlachter hatte? Keinen Respekt? Nicht einmal jetzt?
Oder hatte er ihm eine Falle gestellt?
Vielleicht war es ein wenig von beidem. Arroganz und Täuschungsmanöver. Die Merkmale der Welt, in der wir leben.
Sullivan betrat den Dunkin’ Donuts an der Kreuzung von New Utrecht Avenue und Eighty-sixth Street. Er bestellte sich einen schwarzen Kaffee und einen Sesam-Bagel, der viel zu teigig und fade war. Mit so einem Scheißfraß kam man
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