Blood Empire - Das Blutreich
fuhr den Wagen in die Tiefgarage unter dem John Davis Tower.
"Mon seigneur, je voudrais... Ich möchte Ihnen den Mann vorstellen, den ich für die kommende Größe im organisierten Verbrechen New Yorks halte: Jack Tardelli!", lächelte Leroque.
"Mit mir können Sie ruhig französisch sprechen", erwiderte der Fürst.
"Schließlich stamme ich aus einer Zeit, in der man es überall in Europa sprach. An beinahe jedem Fürstenhof und oft besser als die eigentliche Landessprache!"
"Alors, wir sollten nie vergessen, dass wir im Hier und Jetzt leben, Herr."
"Natürlich nicht."
"Wie gesagt, die Zeit von DiMario wird irgendwann ablaufen. Die Nachfolger sitzen doch schon in den Startlöchern. DiMario passt doch jetzt schon nicht mehr in seine Zeit - und dabei ist er nicht einmal einer von uns!" Leroque machte eine Pause. "Sie denken doch nicht etwa daran, Roy DiMario das ewige Leben zu geben?"
"Nein", erwiderte der Fürst knapp.
"Tardelli ist in meinen Augen ein Kandidat. Später einmal jedenfalls. Wir sollten ihn fördern."
"Einstweilen möchte ich, dass die Dinge bleiben, wie sie sind. Die Zeit für einen Wechsel ist noch nicht reif."
"Wir könnten vor vollendete Tatsachen gesetzt werden, Herr!" Radvanyi lächelte.
Für einen Moment wurden seine Vampirzähne sichtbar.
"Vergessen Sie nicht, dass ich Ihnen mehr als ein Jahrhundert voraus habe, Leroque!"
Die Limousine hielt.
In der Parkreihe befanden sich kaum Fahrzeuge. Um einen Jaguar herum standen ein paar Männer in dunklen Anzügen. Manche von ihnen waren bewaffnet.
"Welcher ist Tardelli?", fragte Radvanyi.
"Der ganz links. Soll ich ihn herkommen lassen?"
"Nein. Ich will ihn nur beobachten. Aus der Körpersprache eines Sterblichen lässt sich so viel ablesen... Gehen Sie, reden Sie mit ihm, Graf!"
"Gut."
Leroque stieg aus.
Er schritt - wie stets in eleganten Zwirn gewandet - auf Tardelli und sein Gefolge zu.
In diesem Moment entdeckte Radvanyi 'ihn'.
Jenen jungen Mann, den er in seiner Vision vor annähernd zwanzig Jahren gesehen hatte. Nur, dass der Kerl jetzt einen Anzug trug, worin er ziemlich lächerlich wirkte. Wie jemand, der sich verkleidet hatte. Aber das Gesicht erkannte Franz von Radvanyi eindeutig wieder. Die Erkenntnis traf wie ein Schlag.
Keinen Gedanken verschwendete er jetzt auf die Frage, ob Jack Tardelli vielleicht ein geeigneter Nachfolger für den großen Roy DiMario sein konnte.
Er ist es!, durchzuckte es ihn. Hast du unbewusst schon damit gerechnet, dass du die Vision irgendwann vergessen würdest? Du Narr... Wer so alt ist wie du, sollte es besser wissen!
Leroque kehrte schließlich zurück, setzte sich wieder zu Radvanyi in den Wagen.
"Sie sollten mit ihm sprechen, Herr."
"Nein."
"Aber..."
"Jetzt nicht!!"
Einige Augenblicke herrschte Schweigen.
"Was wissen Sie über den Kerl mit den dunklen, stacheligen Haaren, Leroque?", fragte Radvanyi schließlich.
Leroque zuckte die Achseln.
"Nichts. Das ist irgend so eine unbedeutende Schießbudenfigur aus Tardellis Gefolge! Pardon, aber ich verschwende an Subalterne keinen Gedanken!"
"Ich möchte alles über ihn wissen, Graf. Wirklich alles."
"Mon dieu, wenn es Ihr ausdrücklicher Wunsch ist?"
"Das ist es!"
"Oui, mon seigneur."
*
Gegenwart...
Franz Fürst von Radvanyi nahm den Ausdruck eines Dossiers in die dürren, knorrigen Hände. Das Philadelphia Police Department hatte es erstellt, aber über das Datenverbundsystem NYSIS konnte man diese Akte von jeder Polizeidienstelle und von jedem Field Office des FBI aus abrufen. Natürlich hatte auch Radvanyi Zugang zu derartigen Informationen. Es handelte sich um ein Dossier über Jack Tardelli, den so genannten Don von Philadelphia.
Offenbar kannten die Behörden seine wirtschaftlichen Verflechtungen, wussten darüber Bescheid, dass er seine Finger tief in Geldwäsche-und Drogengeschäften hatte.
Ja, vielleicht hatte Graf Leroque damals recht!, ging es Radvanyi durch den Kopf. Vielleicht hatte Tardelli tatsächlich das Zeug, um Roy DiMarios Nachfolger zu werden.
Radvanyi räumte sogar ein, dass es möglicherweise ein Fehler gewesen war, an dem Alten festzuhalten.
Aber die Vergangenheit war nicht mehr zu ändern.
Drei Jahre war es nun her, dass Radvanyis Stellvertreter Jean-Aristide Leroque zu Magnus von Björndal, dem Vampir-Herren von Philadelphia übergelaufen war.
Chase war daraufhin an Leroques Stelle getreten.
Jener junge Mann, den Radvanyi einst zum Vampir gemacht hatte, weil er davon überzeugt gewesen war,
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