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Blood Empire - SCHLÄCHTER DER NACHT (Folgen 1-6, Komplettausgabe)

Blood Empire - SCHLÄCHTER DER NACHT (Folgen 1-6, Komplettausgabe)

Titel: Blood Empire - SCHLÄCHTER DER NACHT (Folgen 1-6, Komplettausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Orgelmusik wurde mit einem swingenden Rhythmus unterlegt. Ein Gospelchor erklang aus dem Hintergrund.
    "Fasst euch bei den Händen, Brüder und Schwestern!
    Fasst euch bei den Händen und betet dafür, dass diese sündige Seele ein letztes Mal ins Leben zurückkehrt...
    Lasst den Herrn unter uns sein und ein Wunder der Barmherzigkeit vollbringen. Hallelujah!"
    "Amen!", antwortete das Publikum.
    "Herr, lass unseren Bruder Norman erwachen!", rief Jordan.
    Er hob seine Hand. Das Licht änderte sich. Es wurde bläulich und kalt. Die Szenerie auf der Bühne wirkte wie ein Blick in die Unterwelt.
    Im Sarg bewegte sich etwas.
    Die Menschen in der Halle hielten den Atem an.
    Der Gospelchor verstummte.
    Die Orgel verharrte im Tremolo.
    Der Leichnam setzte sich auf. Jordan hielt dabei immer die Hand auf die Stirn des Toten, so dass das wächsern wirkende Totengesicht für das Publikum im Schatten der Hand und des Unterarms lag.
    "Norman, hörst du mich?"
    "Ja...", kam es dumpf zurück.
    "Norman, du hast ein sündiges Leben im Dienste Satans geführt..."
    "Ja..."
    "Du warst ein Zuhälter an der Bowery in New York City. Du hast junge Frauen dazu gezwungen, ihren Körper zu verkaufen! Du hast sie dir mit Drogen gefügig gemacht. Außerdem hast du zahlungsunfähige Schuldner brutal verprügeln lassen! Norman, deine Mutter, die hier unter uns sitzt und ein gottgefälliges Leben in Wrinkleton, Massachusetts geführt hat, wird es nicht gerne hören, aber es hat keinen Sinn, etwas zu beschönigen! Du warst ein Verbrecher!"
    Ein unartikulierter Laut war die Antwort. Er klang wie ein Stöhnen. Ein Laut des Schmerzes.
    Jordan fuhr fort: "Norman, du wärst verloren gewesen, wenn deine Mutter nicht diesen starken Glauben gehabt und dafür gesorgt hätte, dass dein totes Fleisch heute hier, an diesem Ort ist. Hallelujah!"
    "Amen!", antwortete die Gemeinde.
    "Die Macht Gottes kann das Fleisch auferstehen lassen. Das steht in der Bibel - und ihr alle seit jetzt schon Zeuge dieses Wunders, das das kommende Himmelreich vorwegnimmt! Hallelujah!"
    "Amen!"
    "Norman, bereust du, was du getan hast? Bereust du deine Sünden? Bereust du, dass du in unglaublicher Skrupellosigkeit dem Mammon und der Hurerei gedient hast?"
    Wieder ein ächzender, stöhnender Laut.
    "Ja, es tut weh so etwas zu hören! Das reinigende Feuer Gottes tut weh! Deine Seele erleidet furchtbare Schmerzen! Du hast gedacht, dass mit dem Herzanfall, der dein armseliges irdisches Dasein beendete, alles vorbei wäre! Aber du hast dich geirrt... Du musst durch das Feuer der Verdammnis gehen, hin zum Licht der Vergebung unseres einzigen Herrn! Halleluja!"
    "Amen!"
    "Du bereust, was du getan hast, Norman? Dann sag es allen, die hier sind! Sag es deinen Eltern, die mit uns für dich beten! Sag deiner Schwester, die immer versucht hat, dich vom Weg des Übels abzubringen, dass du bereust! Sag es uns allen, um endlich deinem Schöpfer entgegentreten zu können! Halleluja!"
    "Amen!", murmelte das Publikum.
    "Norman, bereust du aufrichtig?"
    Sekundenlang herrschte absolute Stille in der Halle.
    Eine gespannte Atmosphäre der Erwartung war überall spürbar. Das Publikum hielt den Atem an.
    "Ja!", kam die gequälte Antwort. "Ja! Ja! Ja!"
    Dann sank der Leichnam zurück in den Sarg.
    Das Licht ging aus. Die Finsternis verschluckte den Sarg ebenso wie Moses Jordan.
    Wenig später beleuchtete ein Spotlight dessen Gesicht und Oberkörper.
    Jordan breitete die Arme aus.
    "Die Seele von Norman Gutheridge hat ihren Frieden vor dem Herrn gefunden. Halleluja!"
    "Amen!", erscholl es.
    *
    Minuten später erreichte Moses Jordan seine Garderobe. Abschminken stand jetzt auf dem Programm. Er schloss die Tür hinter sich, setzte sich vor den Spiegel. Er sah müde aus. Die Veranstaltung hatte ihn ziemlich geschlaucht. Aber war der Kampf für das Gute nicht jeden Einsatz wert? Er atmete tief durch.
    "Bravo! Gute Show!", sagte eine schneidende Stimme.
    Ein Mann im grauen Maßanzug saß mit übereinander geschlagenen Beinen in einem tiefen Ledersessel auf der anderen Seite der Garderobe. Moses Jordan hatte ihn zuvor nicht bemerkt. Entsprechend erschrocken fuhr er herum. Als ob er aus dem Nichts erschienen wäre!, ging es Jordan durch den Kopf. Sein Gegenüber blickte ihn mit hellblauen Augen an. Der Mann im grauen Maßanzug hatte ein feingeschnittenes, fast engelsgleiches Gesicht, dessen Linien für einen Mann sehr weich wirkten. Sein hellblondes Haar war leicht gelockt, was den engelhaften Eindruck noch

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