Blood Empire - SCHLÄCHTER DER NACHT (Folgen 1-6, Komplettausgabe)
anderes als Fürst von Radvanyi.
Er stieg die Stufen empor.
Sein gepudertes, bleiches Gesicht wirkte angespannt.
Ihm waren Dinge zu Ohren gekommen, die ihm nicht gefielen.
Radvanyi wartete nicht bis jemand ihm die Tür öffnete.
Er riss sie einfach auf. Das Schloss brach aus dem dunklen Tropenholz heraus. Ein völlig fassungsloser Majordomus stand dahinter und schreckte zurück. Der Majordomus war ebenfalls ein Vampir. Leroque hatte einen Domestiken gebissen, während er auf seiner Flucht durchs bourbonische Spanien unter besonders starkem Blutdurst litt. Ein Phänomen, das sich bei dem Grafen auch später noch stets unter Stress einzustellen pflegte.
Der Domestik war froh um die Anstellung gewesen.
Immerhin ein Job für die Ewigkeit.
"Fürst!", stieß der Diener hervor und schluckte. Er war hager und hoch gewachsen. Der Frack war von einem Engländer im Jahr 1887 maßgeschneidert worden und seitdem nie wirklich aus der Mode gekommen.
"Wo ist Leroque?", fragte Radvanyi. Das Timbre seiner Stimme ließ vermuten, dass er nicht noch einmal fragen würde.
"Sag es mir!!"
"Meine Herrschaft ist zurzeit beim Fechten und bat darum, nicht gestört zu..."
"Führ mich hin!! Jetzt!!"
Der Diener schluckte, senkte leicht den Kopf.
"Ja, Herr", sagte er demütig.
Radvanyi folgte ihm durch den geschmackvoll eingerichteten Empfangsraum und mehrere Korridore. Schließlich erreichten sie den Fechtraum, den der Graf sich eingerichtet hatte.
Zwei Kontrahenten in weißen Fechtanzügen und den dazugehörigen Masken standen sich gegenüber. Bei einem der beiden handelte es sich unzweifelhaft um Leroque. Der lange, leicht gelockte Haarzopf verriet ihn trotz Maske. Der zweite Fechtpartner war eine Frau. Der eng anliegende Fechtanzug ließ daran keinerlei Zweifel.
Radvanyi stutzte.
Leroque führte seine Waffe mit der Linken.
Die Erkenntnis versetzte Radvanyi einen Stich. Die Szenen aus seiner Traumvision standen ihm wieder vor Augen. Er dachte an den Unbekannten, dessen Gesicht er nicht hatte sehen können, und der seinen Säbel ebenfalls mit links geführt hatte.
Sei kein Narr!, schalt sich der Fürst im nächsten Moment.
Willst du von nun an jedem Linkshänder misstrauen?
Jahre später, nachdem Leroque längst zu Magnus von Björndal übergelaufen war, sollte Radvanyi noch oft an diesen Moment denken.
Leroque nahm seine Maske ab. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, als er Radvanyi erblickte.
"Fürst, was verschafft mir die Ehre?"
"Es geht um diesen Jungen, den ich Ihnen zeigte, als Sie das Treffen mit Tardelli arrangierten."
"Was ist mit ihm? Ich habe Ihnen sämtliche Informationen über ihn zukommen lassen, die Sie wünschten, Fürst..."
Das stimmte. Radvanyi wusste inzwischen - nicht nur aus dieser Quelle - so ziemlich jedes Detail aus Chases Leben. So wusste er beispielsweise auch, dass Chase exakt in jenem Augenblick geboren worden war, in der Radvanyi 1961 seine Vision gehabt hatte. Die Aufzeichnungen der Bethesda-Klinik in der 86.Street West ließen daran nicht den Hauch eines Zweifels.
"Jemand veranstaltet eine Art Jagd auf diesen Chase!", sagte Radvanyi schließlich.
"So?"
Radvanyi drang für einige Momente in Leroques Gedanken ein, ehe dieser sich abzuschirmen vermochte. Ein kaltes Lächeln erschien im Gesicht des Fürsten. Der Graf weiß ganz genau, wovon ich rede!, war sich der Herr der New Yorker Vampire jetzt sicher.
"Es geht um Jack Tardelli. Pfeifen Sie ihn zurück!"
"Nun, wenn ich..."
"Zurückpfeifen!!"
Leroque wagte es nicht, auch nur noch einen einzigen Ton von sich zu geben, der ihm irgendwie als Aufmüpfigkeit hätte ausgelegt werden können. Er nickte leicht. Sein Blick wirkte leer.
"Oui, mon seigneur."
"Ihm darf nichts geschehen. Unter keinen Umständen."
"Ja, Herr."
In diesem Moment nahm auch Leroques Fechtpartnerin ihre Maske ab. Radvanyi drehte sich zu ihr herum. Er war keineswegs überrascht, als er in das fein geschnittene Gesicht Petra Brunsteins blickte.
"Wie ich sehe, assistiert Ihnen Petra nicht nur bei der Erledigung Ihres Jobs, Leroque!", murmelte der Fürst halblaut.
Der Graf ließ sich unterdessen von seinem Diener ein Telefon bringen.
"Ich möchte Jack Tardelli sprechen... Mon dieu, ich weiß exactement, wie spät es ist!" Leroque wartete einige Augenblicke. Seine Nervosität war ihm deutlich anzusehen.
Dann erkundigte sich Leroque nach Chase.
Er hörte einige Augenblicke lang zu, sagte zwischendurch einmal. "Ich verstehe."
Der Graf legte schließlich auf. Mit
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