Blood Empire - SCHLÄCHTER DER NACHT (Folgen 1-6, Komplettausgabe)
das Arschloch es nicht mehr!", meinte der Kerl, den Tardelli Billy genannt hatte.
Tardelli lächelte selbstzufrieden.
"Arrividerci, Chase!"
*
Chase spürte einen geradezu höllischen Vernichtungsschmerz seinen Körper durchfluten. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Wie durch eine Wattewand hörte er, wie die Türen der Limousine zugeschlagen wurden und der Wagen davonbrauste.
Chase verlor jeglichen Bezug zur Zeit.
Er starrte hinauf in den Himmel und hatte in diesem Augenblick nur noch einen Wunsch: dass seine Schmerzen aufhörten.
Chase bemerkte die Fledermaus nicht, die über den Central Park schwebte. Die Flugbahn zog sich von der Bethesda Fountain in Richtung Statue of Alice in Wonderland. Aber auf halbem Weg, etwa in Höhe von Loebs's Boathouse senkte sich die Flugbahn. Die Fledermaus flog einen Bogen, landete schließlich wenige Schritte neben dem sterbenden Chase.
Die Fledermaus begann sich bereits auf den letzten Metern vor der Landung zu verwandeln.
Das Körpervolumen dehnte sich aus. Die Farbe der Flügel veränderte sich, wurde weinrot.
Wenige Sekunden später stand ein Mann in einem Kostüm des 17. Jahrhunderts mitten im Central Park.
Radvanyi!
Er trat einen Schritt auf Chase zu, musterte ihn.
Vielleicht komme ich nicht rechtzeitig, dachte er.
Er kniete nieder, beugte sich über Chase.
Verständnislos starrte Chase in das gepuderte Gesicht seines Gegenübers.
Chase versuchte zu sprechen.
Aber er war nicht in der Lage, auch nur ein einziges Wort herauszubringen.
"Chase!!", sagte der Fürst mit dunklem Timbre. Nie zuvor hatte Chase jemanden mit dieser, geradezu unheimlichen Intensität seinen Namen aussprechen hören.
Radvanyi beugte sich nieder.
Chase sah die Zähne nicht, die sich in seinen Hals schlugen. Er achtete nicht einmal auf das schlürfende Geräusch, das folgte.
Radvanyi richtete sich wieder auf.
Blut troff aus seinem Mund heraus.
Scheiße, ein Perverser!, dachte Chase.
"Dies ist nicht das Ende, Chase!", sagte der Fürst. "Es ist der Anfang. Trink jetzt!"
Der Fürst holte eine zierliche Nagelfeile aus den Taschen seines Gehrocks hervor, ritzte sich damit das Handgelenk.
Blut quoll hervor. Der Fürst presste das Handgelenk auf Chases Mund.
Der Sterbende sträubte sich, würgte.
"Chase!! Trink!! Trink und du wirst ein untoter Vampir wie ich... Ich weiß genau, dass du dich irgendwann für diesen Dienst revanchieren wirst!"
Ein mattes Lächeln erschien in Radvanyis Gesicht.
*
Noch in derselben Nacht trafen sich Leroque und Tardelli in der Tiefgarage des John Davis Towers in Midtown Manhattan.
"Die Lage hat sich grundlegend geändert", sagte Leroque.
Jack Tardelli machte eine hektische Geste.
"Wie soll ich das verstehen? Ich dachte, wir wollten bald losschlagen und diesen alten Sack namens Roy DiMario dahin schicken, wo er hingehört. In ein kühles Grab nämlich!"
"Sie müssen aus New York verschwinden, Tardelli."
"Was?"
"Alors, Monsieur, ich gehe davon aus, dass Sie am Leben bleiben wollen. Es gibt da eine Adresse in Philadelphia, an die Sie sich wenden können. Sie werden untertauchen und..."
"Was ist verdammt noch mal passiert, Leroque?"
"Dieses Wissen würde Ihnen nichts nützen, Tardelli. Nur so viel soll als Hinweis reichen: Irgendjemand auf der allerobersten Ebene hatte einen Narren an dem Kerl namens Chase gefressen."
"Das konnte ich nicht wissen!"
"Leben Sie wohl, Tardelli. Zumindest fürs erste. Ich werde irgendwann wieder Kontakt zu Ihnen aufnehmen. Vielleicht erst in einigen Jahren, wer weiß. Aber irgendwann wird es geschehen. Stellen Sie sich darauf ein..."
Tardelli schluckte seinen Ärger hinunter.
"Ich hoffe, Sie wissen, was Sie tun, Graf!"
"Seien Sie unbesorgt!", erwiderte der Graf. Und dabei dachte er: Zurzeit sichere ich erst einmal mein eigenes Überleben...
*
Philadelphia: Gegenwart...
Die letzten Akkorde des zweiten Satzes der Eroica verklangen im großen Saal des National Theatre. Aus seiner Loge heraus beobachtete ein Kenner klassischer Musik die Szene.
Sein Beifall blieb verhalten.
Comte Jean-Aristide Leroque lehnte sich zurück.
"Wie lange wollen Sie mich eigentlich noch hinhalten?", fragte der Mann, der soeben die Loge betreten hatte. Leroque drehte sich um und sah in Jack Tardellis Gesicht.
"Sie sehen nicht gut aus, mon ami!", sagte der Graf. "Mon dieu, die Widerbegegnung mit Chase hat ihrem Teint sichtlich geschadet!"
Tardellis Gesicht wurde noch finsterer.
"Seit Jahren schon halten Sie mich hin, Graf. Sie haben
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