Blood in mind (German Edition)
schrumpfen.
„Ich wurde aus meiner Sippe verstoßen“, brach es auf einmal ziemlich verloren aus dem Vampir hervor. „Und die gesellschaftlichen Regeln unter den Vampiren sind nicht nur sehr alt, sondern auch sehr streng. Ein Sippenloser hat in meinem Volk keinen Wert. Vielleicht wird es Zeit, dass ich wieder irgendwo dazugehöre. Zweihundert Jahre Einsamkeit zehren auch an den Nerven eines Vampirs. Zudem verfolgen wir doch dieselben Ziele. Warum sollten wir also nicht meine Fähigkeiten in Ihre Einheit eingliedern? Sie könnten einen guten Kämpfer für Ihr Team gewinnen. Und Sie wissen, dass ich gut bin. Ich dagegen beanspruche lediglich einen Platz in einer Gemeinschaft.“
„Hier wird Sie niemand mit offenen Armen aufnehmen, Walker“, stellte Morlay sachlich fest. „Sie müssen mit Misstrauen und sogar Feindseligkeit rechnen.“
„Es liegt natürlich an mir, das entsprechendes Vertrauen zu verdienen“, antwortete Songlian und warf Far einen bedeutsamen Blick zu. Der aber wich den bittenden bernsteingelben Augen aus.
„Sie haben es sich offenbar gut überlegt, Walker“, meinte Morlay und sah ihn abschätzend an.
„Ich habe in den letzten Stunden gründlich darüber nachgedacht, Sir.“
Der Chief kratzte sich die Halbglatze. „Tja, also … wenn Ihr Entschluss feststeht und Sie wirklich ins Team wollen …“
Walker nickte nachdrücklich.
„Warten Sie hier und haben Sie etwas Geduld. Diese Angelegenheit wird der Boss entscheiden. Dafür haben Sie sicherlich Verständnis. Nicht jeder Mitarbeiter wird sich freuen, wenn ein Vampir über unsere Flure schleicht.“
„Natürlich, Mr. Morlay. Ich bin schon dankbar dafür, dass Sie sich die Zeit nehmen und über den Vorschlag nachdenken.“ Songlian lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Der Chief nickte und winkte das Team nach draußen auf den Flur.
„Jetzt will ich eure Meinung hören, Jungs“, forderte er das Quartett auf.
„Was er sagt, ist nicht so ganz unrichtig. Als Mitglied unserer Einheit wäre er tatsächlich eine Bereicherung“, stellte Cooper sachlich fest.
„Die Frage ist, ob wir ihm trauen dürfen.“
Jonathan nickte langsam dazu und stimmte Cooper damit bei.
„Ich kann ihn nicht ausstehen“, knurrte Far dagegen und verschränkte übellaunig die Arme vor der Brust.
„Doch nur, weil er dir so unverhofft über den Weg gelaufen ist“, behauptete Cooper ganz richtig.
„Ich finde ihn eigentlich ganz nett“, mischte sich Joey ein.
„Außerdem ist es eine ungeschriebene Tatsache, dass er die Dämonen genauso gnadenlos jagt wie wir. Und Vampire ebenfalls. Der Unterschied zu uns besteht lediglich darin, dass er mit Fangzähnen geboren wurde. Dafür kann er meiner Meinung nach nichts.“
Morlay nickte dazu.
„Habt ihr Jungs den Eindruck, dass er einen von uns angreifen würde?“, fragte er weiter. Die vier zögerten. Schließlich war es Far, der seufzend zugab: „Er hat mir das Leben gerettet, Chief. Der Blutsauger hätte mich in der Tiefgarage auch sterben lassen können. Immerhin waren die Dämonen in der Überzahl. Ich denke schon, dass er es ehrlich meint.“
Überrascht zog Cooper eine Augenbraue in die Höhe, da Far den Vampir erst offen ablehnte und jetzt doch Fürsprache leistete. Far warf ihm einen warnenden Blick zu, und Cooper hielt den Mund.
„Also rauf zum Boss.“ Morlay scheuchte sie in einen Fahrstuhl und wählte das Obergeschoss an. Sanft setzte sich der Lift in Bewegung. Bislang war Far nur einmal auf den Boss getroffen und das war nach seiner Einstellung bei der SEED gewesen. Zu seiner Überraschung war der gefürchtete Boss eine kleine, schlanke Frau Anfang vierzig, die sich ihm als Anabelle Wilcox vorgestellt hatte. Und sie war eine knallharte Person, wie Far sehr schnell herausgefunden hatte.
Der Boss saß an seinem Schreibtisch, als das Team eintrat, und sah sich eine Aufnahme an. Far stellte fest, dass es sich dabei um die Überwachungsaufzeichnung aus der Tiefgarage handelte. Wilcox ließ sich von ihnen nicht ablenken, sondern verfolgte aufmerksam das Geschehen auf dem Bildschirm. Ihr Kugelschreiber tippte dabei immer wieder gegen ihre volle Unterlippe.
„Wacker geschlagen“, sagte sie am Ende des Bandes zu Far und fügte mit einem Nicken auf das Pflaster hinzu:
„Und? Hält Ihr Dickkopf, Baxter?“
Der nickte nur kurz und versuchte aus ihrer Miene eine Entscheidung abzulesen. Wilcox wechselte einen Blick mit Morlay, tippte zur Abwechslung einen Moment lang nachdenklich mit dem
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