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Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung

Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung

Titel: Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kenner
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anderes sein.
    Aber stimmt das denn, Lily? Stimmt das wirklich?
    Stirnrunzelnd ignorierte ich die Stimme in meinem Kopf, während Deacon mich und meine sich schnell zersetzende Fracht so weit in die Höhe trug, dass wir die Schutzmauer der Brücke unter uns lassen konnten. Dann waren wir über dem Charles River. Ich senkte das Schwert, unter dem schockierten Stöhnen der entsetzten Menschen glitt die Leiche von der Klinge und plumpste in die bewegten Fluten. Ich hatte erwartet, dass die Sache damit erledigt war.
    Doch ich hätte wissen müssen, dass ich mich irrte.
    Wo der Dämon aufschlug, schäumten die Wellen. Deacon drehte eine Schleife. Offenbar interessierte ihn das Phänomen so sehr wie mich. Auch die Leute auf der Brücke starrten gebannt nach unten. Am Geländer hatte sich inzwischen eine stattliche Menge versammelt. Alle schauten nach unten, Kameras und Videohandys griffbereit.
    Und tief unter uns bot sich ein Anblick, der es ganz sicher in die Spätnachrichten schaffen würde: Das Wasser hatte sich blutrot gefärbt. Der ganze Fluss.
    Ich war nicht die Einzige, der das auffiel. Davon zeugte das fassungslose Gemurmel auf der Brücke, vor allem als einige Stimmen das allgemeine Raunen übertönten: Armageddon, die sieben Siegel, böse Omen, und wenn ich auch wanderte im finsteren Todestal, so fürchte ich kein Unglück ...
    Letzteres fiel mir besonders auf, nicht wegen der Worte an sich, sondern wegen des Tonfalls. Kräftig, selbstbewusst, kein bisschen ängstlich. Ich schaute hinüber und sah, dass der Mann einen Priesterkragen trug. Mich überfiel ein Anflug von Neid. Dieser Mann ruhte in seinem Glauben. Er glaubte, dass sich alles zum Guten wenden würde, dass ihm, egal was geschah, nichts Böses zustoßen könnte.
    Wie gern hätte ich diesen Glauben geteilt. Aber ich stand an vorderster Front, wo einfache Antworten nicht zu haben waren.
    Ja, ich wünschte mir diesen standhaften Glauben aus ganzem Herzen.
    Und ich hatte genug gesehen, um es besser zu wissen.
    Deacon trug uns durch den Himmel von Boston und landete schließlich etwas wacklig auf dem Dach einer Bank. Seinen unversehrten Flügel klappte er auf den Rücken, der verletzte hing seitlich herunter. Äußerst angespannt stand er in voller Größe vor mir und sah mich an. Seine Muskeln strotzten vor kaum kontrollierbarer Energie, in seinen dunklen Augen funkelte Feuer.
    Wachsam musterte ich ihn. Das Messer hielt ich für den Notfall bereit. Deacon hatte mich soeben zwar gerettet, aber dieses Spiel kannte ich bereits. Auch das letzte Mal hatte er sich vom Retter zum Monster gewandelt, und das in 3,7 Sekunden.
    Langsam und gleichmäßig holte er Atem und ballte immer wieder die rechte Hand zur Faust. Auch die Muskeln im linken Arm zogen sich zusammen. Er versuchte, sich in den Griff zu bekommen. Sein ganzes Gesicht bis hin zu den Augenbrauen zeugte von der Anstrengung, die ihn das kostete.
    Gern wäre ich auf ihn zugegangen, hätte ihn umarmt und ihm geholfen, zu sich selbst zu finden. Er war der Mann, der mir unter die Haut ging, der meine Sinne entflammte. Der Mann, dem ich die Überzeugung verdankte, ich hätte eine ernsthafte Chance, diesen Albtraum zu überleben, in den ich gestoßen worden war. Der Mann, der glaubte, er und ich, wie beide zusammen könnten die Welt retten.
    »Lily«, sagte er. Seine Stimme klang so rau, wie die Hand sich anfühlte, die mich packte, zu ihm hinzog und fest an ihn drückte. »Lily«, wiederholte er. In diesem einen Wort lagen tausend Fragen. Fragen und Forderungen und Versprechen, und ich beantwortete und erfüllte sie alle. Ich nahm sein Gesicht in die Hände und drückte meinen Mund auf seinen.
    Es war keine zärtliche Umarmung, kein Wiedersehen rücksichtsvoller Geliebter. Es war ein körperliches Bedürfnis. Sex. Hitze und Lust und Sünde und Inbesitznahme. Du gehörst mir , hatte er einmal zu mir gesagt, und ich wünschte mir alles, was dieser simple Satz beinhaltete. Ich wollte ihm gehören. Und ich wollte, dass er mir gehört.
    Wir taumelten rückwärts und landeten hart auf dem Kies, der das Dach bedeckte. Mein T-Shirt schob sich nach oben, die Steinchen drückten mir in den Rücken, aber das war mir egal. Ich wollte es ebenso sehr wie Deacon - ich brauchte es auch, und aus denselben Gründen wie er. Eine Verbindung. Menschlichkeit. Gemeinsames Genießen einfacher menschlicher Vergnügungen. Eine Methode, die inneren Dämonen auszutrocknen und uns daran zu erinnern, wofür wir kämpften. Menschlichkeit.

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