Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung
Unannehmlichkeit musste ich beseitigen, und zwar rasch. Ich hielt den Atem an und packte die Klinge an der Stelle, wo sie in meinen Körper eingedrungen war. Sie war schärfer als jedes Messer aus der Fernsehwerbung. Während ich sie langsam rauszog, schnitt ich mir die Handflächen auf, was den Vorteil hatte, dass ich mir das Schwert gleich »aneignete«.
Wenn ich künftig damit Dämonen tötete, dann wären sie endgültig tot.
Und wie ich damit töten würde!
»Deacon«, schrie ich, als der Tri-Jal einen seiner Flügel packte und mit der Faust die dünne, kräftige Membran durchschlug. Deacon brüllte vor Zorn und Schmerz und der Absicht, es seinem Gegner heimzuzahlen. Ich vermutete, er würde ihm einen Feuerstrahl entgegenblasen, wie er es bei Penemue gemacht hatte. Aber nein. Er verpasste ihm einen Tritt, dass der Tri-Jal durch die Gegend segelte, dann hob er ab.
Ich verschwendete keine Zeit, stürzte los und rammte dem Tri-Jal mein Schwert zwischen die Schulterblätter. Er starb nicht sofort, und ich glaubte schon, ich hätte sein Herz verfehlt.
Hinter mir japsten die Leute verwirrt und entsetzt nach Luft. Die Sirenen heulten, Polizisten empfahlen der Menge per Lautsprecheranlage weiterzufahren.
Für mich hörte sich dieser Rat vernünftig an. Als Nächstes richtete sich die Stimme dann selbstverständlich an mich: »Lassen Sie das Schwert fallen, treten Sie zurück, legen Sie die Hände hinter den Kopf.«
Befehle ausführen war noch nie meine starke Seite gewesen, und ich war keineswegs geneigt, ausgerechnet jetzt daran etwas zu ändern. Allerdings war ich auch nicht scharf darauf, mir ein paar Kugeln einzufangen.
Als Fußgängerin auf einer Brücke etliche Meter über dem Charles River hatte ich nicht allzu viele Möglichkeiten. Außerdem wollte ich den Dämon, der sich am anderen Ende meines Schwerts wand und krümmte, nicht lebend zurücklassen.
Ich sagte mir, ich könnte nicht zulassen, dass er all den netten Leuten hier etwas antat. Doch das war nicht mein einziger Beweggrund. Ich wollte den Kick. Der erste Tri-Jal hatte mir Angst eingejagt, das gebe ich zu. Aber jetzt, wo ich auf den Geschmack gekommen war, wollte ich mehr.
Ich wollte, dass der Dämon krepierte, damit ich das genießen konnte, was in ihm steckte.
Der blanke Irrsinn, oder?
»Sofort«, dröhnte die Stimme des Polizisten hinter mir.
Aber da »sofort« nicht in meinen Terminplan passte, tat ich das Nächstliegende: Ich rief Deacon. Eine riskante Entscheidung, schließlich balancierte er zurzeit auf dem schmalen Grat zwischen Mensch und Dämon. Aber mir blieb ja nichts anderes übrig.
Einen Moment fürchtete ich, er würde nicht kommen. Dann zischte er mit ausgebreiteten Armen hernieder. Wegen seines verletzten Flügels hatte er eine ziemliche Schlagseite, aber er packte mich und hob mich hoch. Dabei löste sich das Schwert aus meiner Beute. Ich protestierte lautstark, er solle mich wieder zu dem Dämon bringen. Dies war ein gefährlicher Schachzug, da wir dem diensteifrigen Officer ein leichteres Ziel boten, wenn wir uns nicht auf-, sondern vorwärts bewegten. Das wusste der Polizist offenbar auch, denn er feuerte umgehend drauflos. Eine Kugel streifte mich an der Hüfte, und Deacons wildem Fluchen nach zu urteilen, wurde er ebenfalls getroffen. Die meisten Schüsse verfehlten uns allerdings himmelweit, was unter den gegebenen Umständen aber nicht verwunderlich war. Vermutlich hatte der Polizist keine Übung im Kampf gegen präapokalyptische Dämonen. In Anbetracht seines Speckgürtels um die Hüften war die Verfolgung von Verkehrssündern wohl eher seine Spezialität.
»Beeil dich«, rief ich Deacon zu. Wir rasten so schnell auf den Dämon zu, dass die Welt zu einem Schemen verblasste und ich mich ganz auf meinen Instinkt verlassen musste. Ich stieß mit dem Schwert zu, spießte den Dämon auf und konnte nur hoffen, dass ich der Bestie das Herz durchbohrt hatte und sie sich nicht wieder davon erholen konnte.
Kurz hatte ich Widerstand gespürt, als die Spitze der Klinge auf das harte Fleisch des Dämons getroffen war, doch gleich darauf flutschte das Schwert nur so durch. Was soll ich sagen? Mitten ins Herz.
Das erkannte ich am schwarzen Schleim.
Außerdem konnte ich ihn spüren, diesen Ruck. Dieses köstliche, angenehme, schreckliche Gefühl der Macht, das in mir hochkochte. So war ich. Eine Mischung aus Macht und Stärke, Qual und Zorn. Ich war eine echte Naturgewalt, und zu dem Zeitpunkt wollte ich auch gar nichts
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