Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung
Antworten gekommen. Was in seinem Kopf steckte, würde er mir nicht verraten, aber er würde ganz sicher erzählen, was da vor sich ging. »Was ist passiert?«, fragte ich. »Und fang ganz von vorne an. Mit Penemue. Was in drei Teufels Namen ist in Zanes Keller geschehen?«
»Ich habe dich gerettet«, sagte er barsch. »Oder ist dir das entgangen?«
Ich schluckte. »Nein, das ist mir nicht entgangen. Und danke«, fügte ich leise hinzu. Bei der Erinnerung an den furchtbaren Moment, wo er in das Loch gestürzt war, fing ich an zu zittern. Ich holte tief Luft. »Ich habe geglaubt, du bist tot.«
Er senkte den Blick auf meinen Schenkel und das Messer, das im Holster steckte. »Du hast vergessen, was ich bin, Lily. Ein Sturz in die Hölle würde keinen Dämon das Leben kosten.«
»Erzähl’s mir!« Ich musste es hören. Egal, wie sehr ich mich innerlich dagegen sträubte - ich musste laut ausgesprochen hören, zu was Deacon geworden war und warum.
»Ich fiel. Es kam mir vor wie Tage, aber es können höchstens ein paar Sekunden gewesen sein. Ich hatte die Grenze zur Hölle überschritten, Lily. Nicht bis zu den dunkelsten Löchern, wo Penemue mich einmal festgesetzt hatte, um mich für meinen Verrat zu bestrafen. Aber ich war in der Hölle. Es war finster. Und grauenhaft. Und voller Macht und Möglichkeiten.«
Ich presste die Lippen aufeinander, weil ich nur zu gut verstand. Diese Dunkelheit in mir hatte ich auch schon gespürt. Die Verlockungen der Macht und die Versprechungen, welche Möglichkeiten sich eröffnen würden. Aber das wollte ich nicht. Der Preis dafür war zu hoch, das Vergnügen nur Illusion. Doch die Versuchung war groß. Sehr groß sogar.
»Wie hast du es geschafft, zurückzukommen?«, fragte ich.
»Ich habe mich verändert«, antwortete er. Ich sah ihm an, welche Mühe ihn dieser scheinbar so einfache Vorgang gekostet hatte. »Ich habe meine ursprüngliche Gestalt angenommen.« Er schloss die Augen, sein ganzer Körper bebte vor Anstrengung, die Selbstkontrolle nicht zu verlieren. »Ich wurde wieder zu ... zu dem hier.« Er nickte und deutete auf sich selbst. Ich machte einen Schritt auf ihn zu und legte ihm eine Hand auf die Brust. »In welcher Gestalt auch immer, du bleibst doch derselbe Mann«, sagte ich. »Du hast dir schon einmal deinen Weg heraus erkämpft. Und jetzt hast du es wieder geschafft.«
Er senkte den Kopf und breitete gleichzeitig die Flügel aus. »Habe ich das?«
»Ja«, erwiderte ich im Brustton der Überzeugung. »Das hast du. Meine Frage ist jetzt: Warum? Wie?«
»Ich wusste, dass wir in der Falle saßen«, fuhr er fort. Dann trat er zur Seite, damit ich ihn nicht mehr berührte. Erst dann hob er den Kopf wieder und blickte mich an. Ich verstand. Er wollte nicht, dass ich in seine Gedanken einsank. Er wollte nicht, dass ich die ganze dunkle Seite in ihm und in seiner Vergangenheit sah. »Auch wenn Penemue zu gewaltig ist, um schnell von einer Dimension in die andere zu wechseln, war klar, dass es ihm früher oder später gelingen würde. Dann würde ihn nichts mehr davon abhalten, dich zu verschlingen. Du würdest zwar am Leben bleiben, dein Dasein aber wie Jonas im Bauch einer Riesenkreatur fristen. Und Penemue hätte den Oris Clef wieder. Dann würde er ihn auch einsetzen und die Herrschaft erlangen. Das wollte ich unbedingt verhindern.«
Ich schluckte, weil ich mich scheute, die nächste Frage zu stellen, aber es musste sein. »Und was willst du? Mich retten? Oder den Oris Clef für dich selbst haben ?«
Kurz blitzte Hass in seinen Augen auf. Ich zuckte zusammen; offenbar hatte ich einen wunden Punkt getroffen.
»Ich will uns, Lily. Ich will das, was ich immer gewollt habe.« Er machte einen Schritt auf mich zu, und die Luft zwischen uns schien in der Hitze unserer Lust regelrecht zu flimmern. »Ich will die Pforte schließen. Ich will Erlösung. Ich will dich.«
»Aber?«
Er schloss die Augen und akzeptierte schweigend die Berechtigung dieser Frage. »Aber ein Teil von mir - der Teil, den ich reaktiviert habe, damit er uns von Penemue befreit...«
»Ja?«, hakte ich leise und voller Sorge nach.
»Dieser Teil strebt nach Macht.« Sein Blick senkte sich auf meinen Hals, auf den Oris Clef. »Warum glaubst du wohl, habe ich dir gesagt, du sollst weglaufen?«
»Klar.« Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen und packte sicherheitshalber den Griff meines Messers. »Und jetzt?«
Er wandte sich ab, legte die Flügel wieder an und ging ans Ende des Dachs. Der
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