Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung
hatten noch zwei volle Tage. Für manche Insekten waren das zwei ganze Lebensspannen. Mit zwei Leben würde ich doch wohl einen blöden Dolch finden können, oder?
Fast ein wenig übermütig ergriff ich seine Hand. Allerdings war ich noch etwas wacklig auf den Beinen, denn als ich stand, zitterte der Boden unter meinen Füßen.
»Ein Erdbeben?«, vermutete Deacon.
An mir lag es also doch nicht. Er hielt mich fest und führte mich zur Tür.
»Penemue?«
Er nickte. »Wäre jedenfalls mein Tipp.«
»Ist er schon ganz hier?«
Deacon zögerte, schüttelte dann aber den Kopf. »Nein. Dazu wäre schon ein gewaltiges Beben vonnöten.«
Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen. »Dann wird es aber nicht mehr lange dauern.«
»Darauf müssen wir uns wohl gefasst machen.«
Ich holte tief Luft, nickte überzeugt und nahm all meine Entschlusskraft zusammen. »Na gut. Positiv denken. Wir finden den Dolch, wir verschließen die Pforte, und anschließend schmeiße ich für die ganze Welt eine Runde Guinness.« Skeptisch legte ich den Kopf in den Nacken. »Aber wo sollen wir denn überhaupt noch suchen?«
Er wollte gerade zugeben, dass er das auch nicht wisse - da bin ich mir absolut sicher -, als Rose wild gestikulierend aus dem Hintereingang platzte. »Rachel«, rief sie und drückte mir ein Schwert in die Hand. »Schnell! Bitte, Lily, beeil dich!«
Wir rannten durch das Pub, Rose vorneweg. Atemlos erzählte sie uns, dass Rachel vor das Pub gegangen war, um irgendwelchen Müll zu beseitigen, den jemand direkt davor abgeladen hatte.
Den Rest konnte ich mir denken. Das Pub war leer, weit und breit kein Dämon in Sicht. Durch die Bleiglasfenster konnte ich jedoch erkennen, dass draußen allerhand los war. Rachel inmitten von Dämonen. Und die waren ganz schön sauer.
»Lernfähig sind sie ja.« Schon sprintete ich zur Tür. »Stimmt doch, oder? Offenbar sind sie dahintergekommen, dass Rachel sie für mich identifiziert hat.«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Rose. »Keine Ahnung. Jedenfalls sind sie ihr geschlossen gefolgt, als sie rausgegangen ist.«
Ich blickte zu der Dämonenmeute. Sie hatten offenbar nicht vor, Rachel zu töten, jedenfalls nicht so bald. Sie wollten Rache. Leiden sollte sie. Kein schneller Tod, sondern ein langsames, schmerzhaftes Abtauchen in das große Vergessen. Erst wenn sie genug gelitten hatte, würden sie ihr den Todesstoß versetzen.
Mindestens ein Dutzend Dämonen hatte sich eingefunden. Die Menge wogte hin und her, eine lebende Masse des Bösen. Der Dämon in der Mitte zog Rachel hoch. Sie war blass, in ihren Augen funkelte Angst, aber sie war hellwach und ihr Gesichtsausdruck ein einziges Ihr könnt mich mal. In diesem Moment hätte ich auf sie nicht stolzer sein können, wenn sie meine leibliche Schwester gewesen wäre.
Ich lief los. Der Dämon packte sie am Arm, drei Kumpane schnappten sich die übrigen Gliedmaßen und zogen an ihr, als wollten sie sie auf offener Straße in Boarhurst vierteilen. Zugetraut hätte ich es ihnen.
Deacon legte mir die Hand auf die Schulter und zog mich zurück. »Vorsicht«, warnte er mich. »Das ist Cryonic.« Er deutete auf den größten der Dämonen. »Von dem habe ich das Betäubungsmittel gekauft.« Er bezog sich auf eine eher unerfreuliche Episode. Nachdem man mit dem Zeug auf mich geschossen hatte, war ich eine Zeit lang vollkommen gelähmt gewesen. »Ich würde den verdammten Schlüssel darauf verwetten, dass er dir eine Ladung verpasst, wenn du einfach so drauflosstürmst. Wir können es uns nicht erlauben, dass er dich dienstunfähig macht, Lily. Schon gar nicht jetzt.«
Er machte eine Kopfbewegung zu dem tobenden Pöbel, der johlend und jubelnd die vier Angreifer anfeuerte. »Ein schneller Messerwurf, und sie hat es hinter sich. Für sie ist der Kampf zu Ende, und du bist in Sicherheit. Sie hätte es so gewollt, Lily. Sie hätte nicht gewollt, dass du dein Leben riskierst.«
Entgeistert starrte ich ihn an. Welcher Deacon stand da vor mir - der Mensch oder der Dämon?
»Nein!«, widersprach ich. »Auf keinen Fall! Sie stirbt nicht! Auf keinen Fall! Auf gar keinen Fall.«
Nach kurzem Zögern nickte er schließlich. »Na schön. Dann kämpfen wir.«
Sein Blick verfinsterte sich, was mir nur recht war, obwohl ich wusste, was das bedeutete. Es war Ausdruck der gleichen dunklen Einflüsse, die in mir hochschwappten, die auf Kampf aus waren. Die sich darauf freuten, trotz der Wahnsinnsübermacht der Feinde.
Deacon hatte Angst, wir könnten
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