Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung
wiederholte ich. »Aber auf der Stelle!«
»Bin beschäftigt«, rief sie zurück.
»Verschwinde endlich!« Ich drängte sie ab und übernahm den gedrungenen Dämon, mit dem sie sich gerade ein Duell geliefert hatte. »Ich will nicht, dass dir etwas zustößt.«
»Du hast mich dazu gemacht«, gab sie zurück. »Wenn du nicht willst, dass ich kämpfe, hättest du mich nicht in den Körper einer Kämpferin stecken dürfen.«
Ich verkniff mir den Hinweis, dass das nicht unbedingt meine Absicht gewesen war. Wichtig war mir nur, dass sie sich zurückzog. Andererseits beruhigte es mich, dass sie notfalls durchaus selbst auf sich aufpassen konnte.
»Lily!«, schrie Rachel wieder. Ich drehte mich um. Deacon kämpfte sich zur Tür vor.
Es stand sechs gegen einen - na ja, eigentlich gegen zwei, aber Rachel war keine große Hilfe -, dennoch war es angesichts von Deacons Wut und Kraft eine unfaire Auseinandersetzung. Er drosch um sich, hieb und stach zu, dass es eine wahre Freude war. Sein Körper vibrierte vor Energie und sandte Wellen über Wellen dunkler Macht aus, als wolle er seine Beute damit regelrecht überschwemmen.
Mich zu rufen, stellte sich als höchst überflüssig heraus, denn bis ich bei ihnen war, hatte Deacon längst allen Dämonen den Garaus gemacht. Leichenblass und stoßweise atmend stand Rachel neben ihm.
»Rein«, befahl Deacon und rannte schon zur Tür. Ich rief Morwain und Rose zu, sie sollten sich beeilen. Rose tat das auch, aber Morwain schaute mich bloß an.
»Nun komm schon«, ermunterte ich ihn. »Das hast du gut gemacht.« Gern gab ich das nicht zu, aber er hatte uns tatsächlich sehr geholfen. Mit ihm und Deacon war mein Bestand an anständigen Dämonen jetzt bereits auf zwei angewachsen. Aber jeder hat mal klein angefangen.
Morwain schüttelte den Kopf. »Geht nur vor, Herrin.« Er beugte sich zu einem verletzten Dämon runter und gab ihm den Rest. »Morwain bleibt zurück.«
Auch recht. Ich drehte mich wieder zu den anderen um. Rachel wollte gerade ins Pub und war mit einem Bein fast schon über die Türschwelle, als sich ihr Körper plötzlich aufbäumte. Entsetzt sah ich aus ihrem Rücken einen Pfeil ragen. Er saß so tief und war so gut gezielt, dass er ihr Herz zumindest gestreift haben musste.
Sie stürzte zu Boden. Als sie etwas sagen wollte, bildeten sich in ihrem offenen Mund Blutblasen.
Ich warf mich auf die Knie und schrie meine Wut und Angst heraus, dass meine Stimmbänder beinahe rissen. Deacon hatte sich bereits schützend vor uns postiert und versuchte, den Schützen zu entdecken. Der Angriff war vom Dach des gegenüberliegenden Gebäudes ausgegangen, wo ein weiß gekleideter Mann stand und zu uns herabschaute.
»Johnson«, keuchte Rose.
Selbst das war mir momentan egal. Ich wollte nichts weiter, als Rachel retten. Ich hielt ihr die Hand und versprach ihr, sie werde wieder gesund. Ich würde dafür sorgen. Und das stimmte ja auch. Ohne Wenn und Aber. Das war einer der Vorteile meiner neuen Existenz. Tote konnte ich zwar nicht wieder zum Leben erwecken, aber Verletzungen heilen, das schaffte ich.
Nachdem wir sie ins Pub getragen hatten, zog ich den Pfeil raus, obwohl ich befürchtete, dabei so viel Schaden anzurichten, dass selbst meine einzigartigen Heilkräfte nicht ausreichen würden. Tränenüberströmt schlitzte ich mir die Hand auf, hielt sie über die Wunde und ballte sie immer wieder zur Faust, um das Blut am Laufen zu halten.
Sie verlor das Bewusstsein. Vielleicht war die Verletzung doch zu schwer, selbst für mich. Ich presste ihr mein Handgelenk auf die Lippen, um ihr ein paar Blutstropfen einzuflößen, aber es half nichts.
Ein letzter Seufzer erschütterte ihren Körper, und ich trauerte schon um eine Schwester, die ich nicht hatte retten können. Um eine Freundin, die ich verloren hatte.
Doch plötzlich ...
Plötzlich zuckte sie. Und stöhnte. Und ihre Zunge leckte Blut von meinem Handgelenk. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich nahm sie in den Arm und flüsterte ihr all die sinnlosen Dummheiten ins Ohr, die Leute sagen, wenn sie erst traurig und verängstigt waren und dann auf einmal erleichtert sind.
»Er ist fort.« Deacon war die ganze Zeit über am Fenster gestanden und hatte das Dach im Auge behalten. »Von einer Minute auf die andere ist er verschwunden.«
»Grund zur Sorge?«, fragte ich.
»Wegen Lucas Johnson? Immer. Aber nicht im Moment.«
»Wenn du meinst.« Ich wandte mich wieder Rachel zu, half ihr, sich aufzusetzen, und stützte
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