Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
beobachten mich«, sagte ich.
»Ja«, erwiderte sie leise. Sie legte eine Hand an meinen Hinterkopf und kitzelte mich im Nacken. »Wie Wächter.«
Ich streichelte ihren Rücken. »Ich finde sie ziemlich unheimlich. «
Ich spürte ihr Lächeln an meinem Ohr. »Ja. Das gefällt mir auch daran.«
Ich musste ein bisschen lachen. Klar, so war sie. »Hast du heute schon was gegessen?«
»Nein.«
»Solltest du aber.«
»Ich gehe da nicht noch mal runter.«
»Kein Problem, Süße, ich hole dir was.«
»Sagst du Judy bitte, wo ich bin?«
»Mach ich.«
Ich wollte sie loslassen, aber sie klammerte sich an meine Schultern. »Das von gestern Abend tut mir leid«, sagte sie. »Was ich da gesagt habe.«
Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu lächeln. »Mach dir keine Sorgen.«
»Ich bin so froh, dass du da bist.«
»Ich auch.«
Sie setzte sich auf ihre Fersen. Sie sah so klein und verzweifelt aus, wie sie so an ihrem Bett lehnte, die Hände im Schoß und die Füße unter ihr pinkfarbenes Kleid geschlungen.
»Bin gleich wieder da«, versprach ich. Als ich aufstand, fühlte ich mich verdammt gut für jemanden, der gerade eine Beerdigung hinter sich hatte.
51
52
Silla
Als nur noch Judys Bingo-Freundinnen da waren, traten Nick und ich vor die Tür. Die Sonne ging schon fast unter. Mit den Krähen im Rücken wählten wir den üblichen Weg durch die Forsythien. Die stacheligen Sträucher zogen an meinen Haaren, aber ich zeigte Nick, wie man am besten unter den Dornen durch und um sie herum tauchte. Auf der anderen Seite lag der Friedhof ruhig und überwuchert da wie sonst auch. Ungewöhnlich war nur der Traktor, der still zwischen den Gräberreihen stand.
Das Grab meines Bruders lag nördlich von dem meiner Eltern und war mit loser Erde bedeckt. Es gab noch keinen Grabstein, das brauchte Zeit, und ich hatte noch keinen Grabspruch ausgesucht. Judy hatte mir einige vorgelegt aber ich war nicht in der Lage gewesen, mich auf die Worte zu konzentrieren.
»Warum haben sie den hier stehen lassen?«, wunderte sich Nick und wies mit dem Kinn auf den Traktor. »Damit sie morgen gleich wieder loslegen können, oder was?«
Ich schüttelte nur den Kopf. »Wahrscheinlich haben sie ihn von Mr Meroon geborgt. Der Gemeindebagger ist bestimmt auf dem anderen Friedhof im Einsatz.«
»Mr Meroon nimmt also denselben Traktor, wenn er das Land bestellt und wenn er die Leute unter die Erde bringt? Damit schließt sich der Kreis ja ganz nett.« Nick nahm seinen
Flachmann und hielt ihn über das frische Grab. »Ich habe Bier reingefüllt. Auf Reese?«
»Ja.«
Er leerte das Bier aus, das gelbbraun auf die Erde spritzte. Das vergehende Sonnenlicht fing sich in der Flüssigkeit und verwandelte sie in ein goldenes Band.
Überall auf dem Friedhof waren Krähen versteckt. Sie hielten sich im Schatten, andere kauerten sich zu gefiederten Bällen zusammen, während wieder andere die Hälse reckten und stolz aufgerichtet dastanden. Wie viele waren es? Ein, zwei Dutzend? Sie ließen uns in Ruhe, aber sie gaben keinen Laut von sich. Ohne sich miteinander zu verständigen, beobachteten sie uns. Was für eine unnatürliche Stille!
Ich lehnte mich an den Grabstein meiner Eltern, kratzte mit einem Stock Runen in die Erde und wischte sie wieder weg. In ungefähr fünfzehn Metern Entfernung landete eine Krähe. Nick nahm einen Stein und warf ihn auf sie. Als der Stein vor ihren Füßen landete, krächzte sie zornig und wich flügelschlagend zurück.
»Danke«, sagte ich. Ich ließ den Stock fallen und legte die Hände in den Schoß. »Hast du schon mal darüber nachgedacht, ob es etwas über unsere Beziehung aussagt, dass wir uns immer auf dem Friedhof treffen?«
»Vielleicht, dass wir friedlich und für die Ewigkeit gedacht sind?«
Ich lächelte. »Das meinte ich nicht gerade.«
»Da hast du recht. Du löst auch gar keine friedlichen Gefühle in mir aus.« Das kleine Lächeln erlosch und er sah mich mit neuer Intensität an.
Wir beobachteten uns gegenseitig, bis ich den Blick abwenden musste. Ich fummelte an Reeses Armband herum, das
schwer an meinem Handgelenk hing. Meine Ringe hatte ich unters Kopfkissen gelegt, nachdem ich sie auf eine Silberkette gezogen hatte. Das Blut meines Bruders war in die Fassungen des Smaragds und des Iolits geflossen. Ich konnte sie nicht mehr tragen.
Nick sagte nichts, aber auch er starrte auf mein Handgelenk, als sich das Licht des Sonnenuntergangs in dem Tigerauge spiegelte. Jedenfalls bis eine Krähe
Weitere Kostenlose Bücher