Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
Beifahrertür eines schwarzen Cabrios.
Wendy stieß mich mit der Schulter an. »Er starrt dich schon wieder an. Vielleicht ist er verrückt. Echt jetzt, ich hab gehört, dass seine Mutter eine Zeitlang in der Klinik war.«
»In der Klinik?«
»Psycho.«
»Hey!«, gackerte Melissa. »Ihr zwei passt wirklich wie die Faust aufs Auge!«
Ich hätte es selbst machen sollen, aber Wendy erledigte das für mich. Sie boxte Melissa auf den Arm. »Meine Güte, Melissa? So unsensibel kann man doch gar nicht sein.«
Als wir nah genug herangekommen waren, sagte Nick: »Hey, Silla.«
Ich ging zögernd auf ihn zu, weil ich wusste, dass Wendy mit Melissa und ihrem Freund mit Melissas altem Camry zum Burgeressen nach Evanstown fahren wollte. Ich hatte keine Lust und vielleicht konnte Nick mir eine Ausrede liefern. »Hi, Nick.«
»Hast du Lust, mitzufahren? Wir haben fast den gleichen Weg.«
Graues Licht schien wie Weichzeichner durch die tief hängenden Wolken dieses Nachmittags und auf sein Gesicht. Seine Augen waren braun; dunkel und grünlich braun wie
ein frisch umgegrabenes Feld. Seine Wimpern sahen aus wie Federn. »Silla?«, fragte er.
»Oh, Tschuldigung.« Ich senkte das Kinn und betrachtete einen Augenblick lang den Asphalt und seine schwarzen Kampfstiefel. Wendy berührte sanft meine Finger. Na los, Süße , sollte das heißen. Ich lächelte zu Nick hoch. »Ja, gerne. Ich hab Lust auf Autofahren.«
»Super.« Er hielt mir die Tür auf.
Ich winkte Wendy zu, die hinter Melissa herlief. »Schönes Auto«, sagte ich beim Einsteigen. Das gehörte sich so.
»Es gehört meinem Vater, aber danke.«
Als er vorne um das Auto herumlief und sich ans Steuer setzte, musterte ich sein Profil. Irgendwann hatte er sich offensichtlich mal die Nase gebrochen. Bevor ich nachfragen konnte, startete Nick den Motor und fuhr vom Parkplatz. Der Wind fuhr mir in die Haare und zerzauste sie. Einen Augenblick lang vermisste ich das Gefühl, wie meine langen Haare im Fahrtwind an meinen Hals und meine Wangen schlugen. Ich schloss die Augen und lehnte den Nacken an das weiche Lederpolster.
»Ich weiß nicht, ob ich so eine Frage stellen darf«, sagte Nick.
Mir wurde leicht übel. Er wollte nach meinen Eltern fragen. Ich hielt die Augen geschlossen.
»Warum spielst du nicht die Lady Macbeth? Ich meine, du bist eindeutig die Beste auf der Bühne. Viel besser als diese Blonde, die die Rolle bekommen hat.«
Ich sah ihn überrascht an. Er hatte beide Hände am Steuer und schaute auf die Straße. Doch er warf mir einen raschen Seitenblick zu. Und einen zweiten. Ich merkte, wie meine Lippen sich entspannten, und lächelte. »Danke. Aber ich bin mit meiner Rolle zufrieden. Die Hexen machen Spaß.«
»Schon … Aber, also ich habe keine Ahnung vom Theater, aber ich weiß trotzdem, dass du besser bist.« Er hob die Schultern, als wollte er sich für das Kompliment entschuldigen.
Aus einem unerfindlichen Grund hatte ich Lust, ihn zu berühren. Ich wollte meine Hand auf seine Schulter oder auf sein Knie legen. Stattdessen faltete ich die Hände im Schoß und sah mir die funkelnden Steine in meinen Ringen an. Jeder Ring erinnerte mich an ein Wort und einen bestimmten Gesichtsausdruck von Dad. Ich holte tief Luft. »Es war das Netteste, was ich je erlebt habe, dass sie mich als Hexe besetzt haben.«
Nick runzelte schweigend die Stirn, aber er wartete, bis wir am dritten Block der Main Street vorbei in Richtung unseres Viertels in die Ellison einbogen. »Warum?«, fragte er dann.
Ich konnte ihn nicht ansehen, wenn ich ihm jetzt antwortete. Also schaute ich aus dem Fenster auf die umgeknickten braunen Stängel der alten Maisstauden, die draußen vorbeisausten. Unter dem grauen Himmel sahen sie beinahe golden aus. »Wegen meiner Eltern.« Dann machte ich eine Pause, und als er weiter schwieg, ging ich davon aus, dass er mich verstanden hatte. Ich hatte für Lady Macbeth vorgesprochen, aber in einer Szene dreht sie völlig durch und sieht immer nur Blut an ihren Händen. Ein Schauer lief über meinen Körper, während das Auto unter uns vibrierte. »Mr Stokes wollte nicht, dass ich das bei jeder Vorstellung durchmachen muss. Von den Proben ganz zu schweigen. Außerdem würde das Publikum nicht mehr an Macbeth oder das Stück denken, wenn ich da oben stünde – sondern an meine Eltern.« Ich leckte mir über meine Lippen und sah wieder auf meinen Schoß.
Nick schwieg. Aber dazu gab es auch nichts zu sagen.
Kurz darauf bremste er ab und bog in
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