Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
sah aus wie das eines hungrigen kleinen Terriers, aber ich hatte mit der Zeit kapiert, dass es das freundlichste
Gesicht war, das Gram zu bieten hatte. Als sie bei der Beerdigung aufgetaucht war, hatten wir sie alle für eine Hyäne aus der Stadt gehalten, die sich an der blutigen Berichterstattung über den grässlichen Kleinstadtmord weiden wollte. Reese wollte sie gar nicht ins Haus lassen, aber da schlug sie ihm auf die Schulter und sagte: »Ich war die Lieblingsstiefmutter eures Vaters – lass mich rein, dann koch ich was.«
Weder mein Bruder noch ich hatten die Kraft gehabt, uns zu wehren. Schließlich hatte sie uns Fotos aus unserer Kindheit gezeigt, auf denen wir mit ihr, Mom und Dad bei einem Ausflug nach St.Louis zu sehen waren, an den wir uns beide nicht erinnern konnten. Ihr Einzug stellte sich als Segen heraus, denn sie konnte mit Rechnungen umgehen und half uns, das Geld aus der Lebensversicherung unserer Eltern richtig anzulegen.
Sie hatte lange weiße Haare, die sie zu einem Haarkranz geflochten trug, seit ich meine abgeschnitten hatte. Das war das extremste Zeichen für ihre Solidarität mit unserer Trauer. Ich sagte ihr nicht, dass ich meine Haare abgeschnitten hatte, weil die Spitzen mit dem Blut meiner Mutter getränkt waren. Jedes Mal wenn eine Strähne meinen Hals streifte, musste ich daran denken, wie ich in jener Nacht bei abgestandenem Kaffee mit Sheriff Todd geredet hatte, während meine Haare hart und starr geworden waren von getrocknetem braunem Blut.
»In Gottes Namen, Silla, woran denkst du gerade?«
Ich blinzelte.
Grandma Judy seufzte und griff nach ihrem Glas mit Eis und Bourbon. »Ich kann’s mir vorstellen.« Mit einer schnellen Handbewegung kippte sie ihren Drink und zeigte auf das Küchenfenster. »Wer war der Junge, der dich gebracht hat?«
»Er ist neu an der Schule. Nick Pardee.« Ich holte mir ein Glas Wasser und brachte Judy frisches Eis, damit sie ihren
Drink wieder auffüllen konnte. »Er ist der Enkel von Mr Harleigh. «
Als ich zum Tisch zurückkam, lehnte Grandma Judy sich nachdenklich zurück. »Ach, war das nicht der mit dem Haus hinten im Wald? In der Highschool war dein Vater mit einem Mädchen zusammen, das dort wohnte.«
»Echt?«
»Jaja. Daisy oder Delilah oder so. Ich weiß nicht mehr genau. Sie trennten sich ein paar Monate, bevor er deine Mutter kennenlernte. Ziemlich plötzlich, wenn ich mich recht erinnere. Andererseits war dein Vater auf dem Sprung zum College und so weiter, das ist sowieso kein guter Zeitpunkt, sich zu binden.«
Judy war offenbar der Meinung, dass es überhaupt keinen geeigneten Zeitpunkt für eine feste Bindung gab. Meine Ringe klirrten wie Weingläser, als ich meine kalten Hände rieb. »Er macht bei der Bühnencrew mit und hat mir angeboten, mich nach Hause zu fahren, weil es auf seinem Weg lag.«
»Wie höflich!«
Ich hob den Blick. Judy schraubte die Bourbonflasche auf und goss sich etwas Whiskey über die Eiswürfel. Sie hatte lange, krumme Finger, die so braun und runzelig waren wie alles an ihr. Doch die Fingernägel prangten in französischer Maniküre. Sie nahm einen Schluck und sah mich über den Rand ihres Glases an. Sie fragte nie, aber ich durfte zu ihr kommen, wann ich wollte oder wenn ich nicht mehr anders konnte. So hatte sie alles über alle erfahren, ohne irgendwem auf die Nerven zu gehen. Mit Geduld und einem lockeren Umgang mit Alkohol. Ich blieb bei meinem Wasser. »Er ist süß.«
»Bitte ihn doch, mit dir auszugehen.«
»Gram!«
»Wieso denn nicht?«
»Ich … Ach, ich weiß auch nicht.« Wenn er mich so ansieht, habe ich das Gefühl, dass mir meine Haut zu eng ist.
»Es muss doch einen Grund geben. Mundgeruch? Nicht hübsch genug?«
Ich zuckte mit den Achseln.
»Also wirklich, Silla. Ich erwarte ja gar nicht, dass du mit ihm ausgehst, wenn er dir nicht gefällt.«
»Nein, ich … Er ist ganz nett, glaube ich.« Ich wand mich auf meinem Stuhl. Mit meiner Mutter hätte es so ein Gespräch nie gegeben, denn sie hätte mich direkt ermahnt, dass es beim ersten Date auf keinen Fall schon zum Kuss kommen durfte. Judy ging wahrscheinlich davon aus, dass ich schon alles mit einem Jungen gemacht hatte.
»Und wo ist dann das Problem?« »Mir ist nicht danach.« »Ah!« Sie verdrehte theatralisch die Augen. »Was für ein bescheuerter Grund. Du musst wieder in die Welt hinausgehen und dich aus diesem traurigen Teufelskreis befreien!«
»Muss ich nicht.«
Grandma Judy senkte das Kinn und schaute mich
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