Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
meinen Geschmack war das zu stalkermäßig.
Von wegen Stalker: Nach zwei Minuten hatte ich die nackten Fakten zu Sillas Problemen gegoogelt. Ihr Vater hatte im Sommer erst ihre Mutter und dann sich selbst erschossen. Silla war es gewesen, die sie im Haus tot aufgefunden hatte. Erst
eine Stunde später war ihr Bruder nach Hause gekommen und hatte die Polizei gerufen.
Kein Wunder, dass es sie auf den Friedhof zog. Ich meine, sie musste wirklich völlig durchgeknallt sein. Ich hatte am eigenen Leib erfahren, wie es war, mehr von dem Blut seiner Mutter zu sehen, als einem guttat. Darüber kam man nicht hinweg.
Gestern war Silla nicht zur Schule gekommen und deshalb war ich möglicherweise noch schlechter gelaunt als sonst. Es hatte mich so genervt, Stokes zuzuhören, wie er bei der Probe ihren Text vorlas, dass ich mir vorgenommen hatte, die nächste zu schwänzen, wenn sie wieder nicht da wäre. Selbstverständlich war ich auf die Idee gekommen, dass sie vielleicht von der Magie krank geworden war. Zu gewissen Zeiten hatte meine Mutter stundenlang im Bett gelegen. Ich habe Migräne, Nicky, das ist alles , hatte sie behauptet. Aber ich wusste es besser.
Zum Glück für meine Theaterlaufbahn war Silla am Freitag in der Schule. Sie sah müde aus, aber das tat sie wahrscheinlich immer. Es war mir auch egal, ich schaute auf ihre eng sitzende Jeans, die genau auf den Hüften saß. Ihre Freundin Wendy nahm eine Extraportion Bohneneintopf und knallte sie auf Sillas Tablett. Silla verzog angeekelt den Mund, aber sie stellte den Eintopf immerhin nicht zurück. Wendy durfte sogar noch ein blaues Tetrapack mit zweiprozentigem Kakao dazustellen.
»Du musst sie dauernd ansehen, was?« Eric lachte, als er sich neben mich pflanzte. »Dabei ist sie gar nicht gut für dich, Bro.«
»Wegen ihrer Eltern?«
»Weil sie spinnt.«
»Echt?« Ich machte mich über meine eigene Portion Bohneneintopf her. Er schmeckte entschieden besser als in Chicago.
»Echt.«
»Tun wir das nicht alle?«
»Oh, Mann, dich hat’s echt erwischt.«
Ich spießte einen Fleischbrocken auf und zeigte mit meiner Gabel auf Eric. »Moment, nur weil ich dir zuvorgekommen bin …«
»Tja, in Wirklichkeit ist es umgekehrt.« Eric ließ den Blick zu Silla und Wendy schweifen, die sich mit ein paar anderen Mädchen ans Fenster setzten. »Das war in der Neunten, als sie noch echt heiß war.«
»Noch? Sie ist der Wahnsinn.«
»Aber nicht im Vergleich zu früher.«
»Wann früher?«
»Vor dem Sommer … Ihre Eltern …« Er schaufelte Hackfleisch in sich rein und warf mir einen bösen Blick zu: Blödmann.
Ich nickte, als wüsste ich Bescheid. Aber ich hatte immer noch niemanden nach den Details dessen gefragt, was ich im Internet gelesen hatte. Ein paarmal war es fast so weit gewesen, aber ich hatte es – irgendwie – nicht geschafft. Ich wollte es von ihr selbst hören, nicht von anderen.
»Sie war super, und heiß drauf, Mann. Ich war nicht der Einzige, der es nicht abwarten konnte, bis ihr Bruder aufs College ging. Aber nach der Sache mit ihren Eltern … Sie hat zehn Kilo abgenommen, alle an den falschen Stellen, und dann hat sie sich auch noch die Haare abgeschnitten. Mit Flirten war Sense. Ich kann es ihr nicht übelnehmen, aber im Moment ist sie nur noch Haut und Knochen.«
»Ist wahrscheinlich mein Glück, dass ich nicht weiß, wie sie vorher aussah«, sagte ich, aber ich wusste genau, dass sie mir so lieber war.
Silla
Mrs Tripp hatte einen Schreibtisch hinten am Fenster, aber dort saß sie nie, wenn ich sie in ihrem Büro besuchte. Sie lud mich lieber dazu ein, mich neben sie auf das vornehme gelbe Sofa zu setzen, als würden wir nur zusammen Tee trinken.
»Gut, Drusilla, erzähle mir eine interessante Begebenheit aus der laufenden Woche.« Mrs Tripp hatte lächelnd die Beine übereinandergeschlagen und die gefalteten Hände auf ihre Knie gelegt.
»Ich habe meinen neuen Nachbarn kennengelernt«, murmelte ich und setzte mich auf die Sofakante. Ich nahm eins der knalllila Kissen auf den Schoß und strich über die Stickerei. Es war grauenhaft, mit Mrs Tripp zu reden, da konnte sie noch so nett sein. Ich schob meine stille Maske wieder an Ort und Stelle – die meergrüne, die an den Rändern mit Muscheln beklebt war. Über den Wangen prangte eine helle Koralle wie ein falsches Lächeln.
»Ach ja, der Neue. Nicholas, stimmt’s? Er freut sich bestimmt, wenn du nett zu ihm bist. Ich war geradezu begeistert von der Freundlichkeit, mit der ich hier
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