Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
empfangen wurde.« Ihr Tonfall war sanft und lud mich ein, sie anzusehen, ohne dass sie ausdrücklich darum bat.
Es gab keinen vernünftigen Grund, so muffig zu sein, deshalb schaute ich sie an. Mrs Tripp hatte eins dieser niedlichen Gesichter, die in Romanen vorkommen, mit einem Haufen Locken drumrum, die sich gerne aus ihrem Pferdeschwanz lösten. Sie trug ihren Cardigan auf eine altmodische Weise. Weniger gestörte Mädchen ließen sich von ihrem Lächeln sicher beruhigen. »Worüber möchtest du denn heute gerne sprechen?«, hatte sie mich beim ersten Mal gefragt, aber dann
hatte sie rasch gemerkt, wie übermächtig meine Abneigung dagegen war, auch nur ein Wort mit ihr zu reden. Mittlerweile war sie immer vorbereitet. Als ich ihr Lächeln zaghaft erwiderte (um zeitig wieder wegzukommen), fragte sie: »Was ist das schönste Geschenk, das dein Vater dir jemals gemacht hat?«
Das Zauberbuch, auch wenn er es mir nicht persönlich gegeben hatte. Aber ich dachte nicht daran, Mrs Tripp davon zu erzählen. Ich senkte den Blick auf meine Hände, die flach auf dem Kissen lagen. Die Ringe funkelten stumpf. Ich schnippte mit den Fingern, deren Haut ich am liebsten abgekratzt hätte, um an frisches Blut zu kommen. An neue Magie. »Er hat mir diese Ringe geschenkt.« Reese hatte er ein passendes Armband mit einem leuchtenden Tigerauge geschenkt. Seit Juli hatte Reese es nicht mehr getragen. Er würdigte es keines Blickes mehr.
»Sie sind hübsch.« »Seit meinem neunten Geburtstag gab es jedes Jahr einen. An meinem achtzehnten wäre der letzte fällig gewesen.« Mein rechter Ringfinger war nackt und bloß. Wie hätte der Ring wohl ausgesehen? Je älter ich geworden war, umso aufwendiger und teurer waren die Ringe geworden. Im letzten Frühjahr hatte ich einen Weißgoldring mit einem Edelstein bekommen, den mein Vater als smaragdgeschliffenen Smaragd bezeichnet hatte. Ich trug ihn am linken Mittelfinger. »Als ich neun wurde, sagte er, er würde einen Regenbogen wie eine Rüstung um mich herumbauen.«
»Um dich zu beschützen?«
»Ja.«
»Wovor denn?«
Sie starrte auf meine Hände. Ich verschränkte meine Finger und zog sie an meinen Bauch. Die Narbe der vorletzten Nacht kribbelte. »Vor allem Möglichen.«
»Vor den üblichen Ungeheuern, die kleine Kinder verfolgen? Vor Fremden? Vor dem Tod?« Ihr Tonfall war leicht, aber als sie den Blick hob, lag ungeheuer viel Gefühl darin. Ich fragte mich, wie eine so mitfühlende Person es als Vertrauenslehrerin aushielt? Doch dann fuhr sie fort. »Oder vor ihm selbst?«
Das war wie ein Schlag in die Magengrube. Ich konnte kaum noch atmen, so weh tat es.
»Wäre es dir vielleicht lieber gewesen, er hätte deine Mutter auf diese Weise beschützt?«
»Er hat sie nicht umgebracht«, sagte ich. Meine Hände zuckten und die Ringe schnitten ins Fleisch.
»Drusilla, Liebes. Stell dir bitte nur einen Augenblick lang vor, dass er es doch hätte tun können. Das bedeutet nicht gleich, dass du ihn verrätst oder eine schlechte Tochter bist. Glaubst du, er hätte gewollt, dass du dich vor der Wahrheit versteckst?«
»Warum wollen eigentlich alle, dass ich meinen Dad hasse?«
»Das ist nicht unser Ziel, Drusilla.«
»So fühlt es sich aber an.«
Sie nickte, als hätte ich etwas Gutes gesagt. Das Blut stieg mir warm in die Wangen. Sie hatte es schon wieder geschafft, dass ich über meine Gefühle redete. Ich presste die Lippen zusammen und hielt mich an der Maske fest, die ich vorher beschworen hatte – die Maske der Stille, der Ordnung, des bodenlosen kalten Meeres. Die Röte schwand. Mrs Tripp seufzte. »Drusilla« – sie sagte meinen Namen so, als wollte sie mich daran erinnern, wie ich hieß – »ich möchte dir helfen. Es ist nichts falsch an deinen Gefühlen, verstehst du? Ich bin hier und höre dir zu, um herauszufinden, welcher Art diese Gefühle sind, warum du sie hast, und um Verwirrungen aufzulösen, damit du wieder in die Spur kommst. Aber wozu ich
nicht hier bin, ist, um dich oder deine Bedürfnisse oder deinen Dad zu verurteilen.«
»Kann ich gehen?« Es war noch früh, normalerweise hatten wir eine halbe Stunde Zeit.
»Natürlich. Ich halte dich nicht fest.« Sie stand auf und streckte die Hand aus. Als ich sie schüttelte und aufstand, drückte sie meine Hand warm und freundlich. Alle Leute haben wärmere Hände als ich. »Dann bis nächste Woche, es sei denn, du möchtest mich vorher besuchen. Meine Tür steht dir jederzeit offen.«
»Okay.« Ich zog meine Hand
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