Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
sie, was in der Schule wirklich passiert war. Dad hatte sie ungefähr zu der Zeit kennengelernt, in der Sillas Eltern ermordet worden waren. Dann hatte sie ihn, den Inbegriff des Stadtmenschen, dazu überredet, hierhin ins Niemandsland zu ziehen. Und das direkt nach dem Tod meines Großvaters? Den hatte sie vielleicht auch auf dem Gewissen.
Eins passte zum anderen.
Ich brauchte Beweise, damit ich Dad die Augen öffnen konnte, bevor sie ihm auch noch etwas antat. Ich konnte ihm schließlich nicht einfach erzählen, dass seine ultraheiße Vorzeigebraut eine böse Bluthexe war. Jetzt erst recht nicht.
Anstatt wütend die Treppe raufzustapfen, blieb ich in der Küche an der Kellertür stehen. Dad lagerte seinen Wein im Keller, aber beim Umzug waren auch mehrere Kisten von ihr
dort unten gelandet. So leise wie möglich zog ich die Tür auf, aber sie knarrte, weil sie so alt war. Erschrocken wartete ich und lauschte, ob jemand aus dem Arbeitszimmer kam.
Als nichts geschah, trat ich auf die erste knarrende Stufe und tastete an der Wand nach dem Lichtschalter. Als wir eingezogen waren, war ich schon einmal hier unten gewesen, und selbst an jenem heißen, hellen Nachmittag war ich sehr froh gewesen, dass auch der Keller ans moderne Stromnetz angeschlossen war. Als die Glühbirne aufleuchtete, wischte sie fast alle unheimlichen Schatten mit schwachem weißem Licht aus.
Ich ging auf Zehenspitzen die schmale Wendeltreppe hinunter, bis ich auf Beton landete. Hier schaltete ich eine weitere Lampe ein. Insgesamt war der Keller so groß wie das Erdgeschoss, aber er war in so viele Räume unterteilt wie die erste Etage. Im ersten standen große Holzregale, die zum Großteil mit Weinflaschen und mit einigen wenigen Whiskey- und Portweinflaschen gefüllt waren. Sherry für Lilith. Ich überlegte kurz, ob ich mir ein paar Schlucke Whiskey gönnen sollte, um durch die nächste Stunde zu kommen, entschied mich dann aber dafür, auf der Hut und bei Verstand zu bleiben.
Der klamme Keller machte eine Kurve und führte in einen zweiten Raum, dem einzigen weiteren, der nicht wie der Rest leer stand. Hier stapelten sich die Umzugskisten, die meisten aus Pappe. Daneben standen mehrere Kunststofftonnen, in denen unsere Wintersachen aufbewahrt wurden. Das war ganz neu für Dad und mich, diese Trennung von Sommer- und Winterkleidung. Was war verkehrt daran, sie das ganze Jahr über im Schrank zu haben? Doch wie bei so vielem hatte Dad auch hier nachgegeben, ohne lange darüber nachzudenken.
Schade, dass ich keine Taschenlampe mitgenommen hatte. Die Etiketten auf den Kisten waren schwer zu entziffern. Auf den meisten standen Sachen wie WEIHNACHTSDEKORATION
oder ROSENPORZELLAN. In anderen Kisten lagen Dads alte Comicbücher, die Lilith aus der Bibliothek verbannt hatte (der einzige Grund, warum ich jemals überlegt hatte, sie selbst zu lesen). Ich prüfte eine Kiste ohne Etikett, weil ich mir dachte, dass ich als leichenklauende Bluthexe wohl kaum FLÜCHE UND ZAUBERSPRÜCHE auf eine Umzugskiste mit meinen geheimen Schätzen schreiben würde.
Die Pappe war in der feuchten Luft weich geworden, sodass die Kiste sich leicht öffnen ließ. Sie enthielt einen Haufen Bücher. Jahrbücher einer Highschool irgendwo in Delaware. Unter den vier Bänden fand ich Briefe, die an Lilith adressiert waren. Ich zog einen aus dem Umschlag und überflog ihn. Liebesbriefe von einem gewissen Craig. Zum Glück waren sie eher schmalzig als sexy. Ich grub weiter und fand mehrere Zeichenbretter und einen Haufen kleiner Hefte. Als ich eins aufschlug, entdeckte ich erste Seiten und Absätze von ungefähr vierzig verschiedenen Geschichten. Belletristik, in einer ging es um einen Detektiv, den Helden in einer von Liliths Serien.
Frustriert setzte ich mich auf die Fersen. Das waren zwar ihre Sachen, aber es handelte sich um ganz normales Zeug, und nicht etwa um die dunklen Geheimnisse, die ich mir erhofft hatte. Wahrscheinlich passte sie da gut drauf auf und hatte sie unter ihren Dessous oder an einem anderen schrecklichen Ort versteckt, wo ich nie nachsehen würde. Offenbar verschwendete ich meine Zeit.
Ich beschloss, noch einen letzten Blick auf die Kisten zu werfen. Als ich aufstand, sah ich die Schachtel direkt hinter der Andenkenkiste, die ich gerade untersucht hatte.
Jemand hatte in einer anderen Handschrift DONNA, 12 – 18 auf das Etikett geschrieben.
Es verschlug mir den Atem.
Ich kramte die Kiste hervor, aber meine Finger gehorchten
mir nicht, als ich sie
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