Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Gratton, T: Blood Magic - Weiß wie Mondlicht, rot wie Blut - Blood Magic # 1
weiß nicht, was ohne das aus mir werden soll.« Ich holte in tiefen, abgerissenen Zügen Luft. »Nick habe ich auch den ganzen Tag noch nicht gesehen. Alle glotzen mich an, und ich weiß gar nicht, wer sie wirklich sind. Ich glaube, es könnte sein, dass ich wirklich verrückt werde, Reese. Gott. Warum hat sie nichts gemacht? Wo ist sie …«
Mein Handy klingelte. Ein Anruf von Reese.
Ich ging dran. »Oh Himmel.« Dann schloss ich die Augen und lehnte mich an die harten gelben Klinker.
»Hummelchen, was ist denn los?«
Ich brabbelte weiter. »Ich habe solche Angst, Reese. Ich muss hierbleiben, aber ich will auch abhauen und das mit der Magie hinter mich bringen. Damit wir in Sicherheit sind.«
Seine beruhigende Stimme sickerte in mein Ohr. »Frisch das Blut über deinem Herzen auf. Damit bist du eine Weile sicher.«
Das wusste er nicht. Er dachte sich das aus.
»Ich liebe dich«, sagte ich.
»Ich liebe dich auch, Silla. Sei vorsichtig. Alles wird gut.«
37
Januar 1961
Der erste Monat eines neuen Jahrzehnts. Im Radio hat man uns ermahnt, gute Vorsätze zur Verbesserung des eigenen Lebens zu fassen. Etwa: Sieh zu, dass das Abendessen immer pünktlich auf dem Tisch steht. Putz immer schön deine Schuhe und halte deine Frisur in Ordnung. Bügele jeden Tag. Ruhe dich eine Viertelstunde aus, bevor dein Ehemann heimkehrt, damit du ihn froh und munter begrüßen kannst.
Ich dachte, ich werde meinen Zauberer auf Abwegen wiederfinden und mit nach Hause nehmen. Ich lasse es nicht zu, dass über seinen Launen und Grillen noch ein Jahrzehnt vergeht. Ich konnte mich fünfzehn Jahre lang ausruhen. Munterkeit, die kann er haben.
38
Silla
Es war die reinste Befreiung, mich auf die Probe zu konzentrieren. Wirklich, ich war so erleichtert, dass ich es zur Probe geschafft hatte, ohne mit Josephine zusammenzustoßen. Und ohne suspendiert zu werden. Das war mir gelungen, indem ich mich auf meinem Platz ganz klein gemacht und auf nichts anderes geachtet hatte als auf den Text vor meiner Nase. In den Pausen hielt ich den Blick gesenkt.
In weniger als zwei Wochen sollte die Premiere von Macbeth stattfinden. Uns blieben nur noch vier Proben vor den Durchläufen. Vorausgesetzt, ich blieb so lange am Leben.
Während der Szenen, in denen wir nicht vorkamen, schickte Mr Stokes Wendy, Melissa und mich in den Gang zur Anprobe. Ich musste meine Jacke in der Aula lassen und konnte gerade noch etwas Salz in die Hosentasche stecken. Das Messer konnte ich natürlich nicht auch noch rausholen.
Mr Stokes hatte dem Stück einen zeitgenössischen Anstrich verpasst, weshalb wir Hexen goth-mäßig rüberkommen sollten. Mit schwarzem Make-up und allem Drum und Dran. Der Nähclub schneiderte uns Korsagen mit vielen Silberspangen. Madison, die mich probehalber verschnürte, schimpfte mit mir, weil ich an der Taille schon wieder abgenommen hatte.
»Du siehst schlimm aus, Sil«, sagte Wendy, während sie die Arme hochhielt. Eine Neuntklässlerin steckte gerade den Saum ihrer Korsage ab.
»Hey, danke!«
»Man könnte meinen, du wärst durch Stacheldraht gekrochen«, setzte Melissa von ihrem Posten an der Wand hinzu. Wie schön, dass sie mich wieder beachtete – wenn auch nur, um gemein zu werden.
»Isst du überhaupt noch was?«, fragte Madison. »Echt jetzt, wenn das nicht ein bisschen enger wird, fallen dir die Titten raus.«
Ich schaute nach unten. Zwischen dem Futter der Korsage und meinen Brüsten klaffte ein halber Zentimeter Luft. Und das, obwohl ich einen BH und einen Pulli trug. »Ja, ich esse schon was. Tut mir leid, dass ich nicht aussehe wie eine aus der Vogue. « Ich gab mir keine Mühe, sonderlich nett zu klingen.
»Das ist blöd! Ständig müssen wir deswegen deine Korsage ändern!«
»Ich kann sie ja ausstopfen oder so.«
»Du erbrichst dich doch nicht, oder?«, fragte Melissa.
»Melissa!« Wendy warf ihr einen bösen Blick zu.
»Wieso, Magersucht, voll gestört, was weiß ich.«
Madison zeigte mit der Stecknadel auf Melissa. »Bulimie. Dabei erbricht man sich.«
»Mann, ist mir doch egal.«
»Und im Übrigen: Nein, tut sie nicht«, sagte Wendy.
Ich stand einfach nur da, mit leicht geöffnetem Mund. War Melissa besessen? Nein, dachte ich, sie war immer schon so gemein gewesen.
»Woher willst du das denn wissen? Du hast selbst gesagt, dass sie zu sehr mit dem neuen Typen beschäftigt war, um bei dir zu bleiben, als du ohnmächtig geworden bist …«
»Hör auf!« Doch Wendys Wangen explodierten in einem
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