Blood Romance 03 - Bittersuesse Erinnerung
»Der Sieger darf gehen. Und der Verlierer ... bleibt.«
Noch ehe Dustin nachfragen konnte, was er damit meinte, schnellten Jonathans Hände in einer unwirklichen Geschwindigkeit hervor und umgriffen seinen Hals. Dustin würgte, reagierte aber unmittelbar. Zwar fühlte sich sein Körper seit seiner Verwandlung schwerfälliger an und seine Bewegungen kamen ihm langsamer und um Augenblicke versetzt vor, aber seine jahrzehntelangen Erfahrungen als Jäger kamen ihm zugute. Dustin schlug Jonathan mit voller Wucht gegen die Brust - sodass dieser wenigstens hätte taumeln und seinen Griff lockern müssen. Doch er blieb mit beiden Beinen fest am Boden und blinzelte noch nicht einmal.
Jonathan grinste. »Bist du noch nicht richtig in Fahrt?«, zischte er dicht an Dustins Ohr. »Trau dich ruhig, Dustin, trau dich, na los! Keine Angst, ich halte mehr aus, als du im Moment vielleicht denkst.«
Jonathans Augen funkelten angriffslustig. Dustin holte erneut aus, aber Jonathans Hand fing seinen Arm mitten in der Bewegung ab. Fast gleichzeitig gruben sich seine Fingernägel in Dustins Handfläche. Wie scharfe Messer glitten sie seinen Arm entlang abwärts und hinterließen tiefe rote Spuren, aus denen nur einen kurzen Augenblick später Blut hervorquoll. Dustin schrie vor Schmerz auf und plötzlich - von einer Sekunde auf die andere - ließ Jonathan von ihm ab, als hätte er sich verbrannt. Er starrte Dustin voller Entsetzen an.
Dustin krümmte sich und umklammerte keuchend seinen verletzten Arm. Blut sickerte zwischen seinen Fingern hindurch. Vor Schmerz fast betäubt und zugleich voller Faszination bestaunte Dustin dieses purpurne Rot, das auf seiner Haut glänzte - warm, feucht und kostbar. Keiner von beiden rührte sich von der Stelle.
Mit einem Mal ertönte ein Schrei und Dustin erwachte aus seiner Starre. Sarah ... Ihr musste etwas passiert sein. Dustin zögerte keinen Moment. Er vergaß seinen Schmerz und schubste Jonathan beiseite, der nach wie vor wie vom Donner gerührt in der Mitte des Zimmers stand, und stürzte an ihm vorbei auf den Schlüssel zu. Mit zitternden Fingern schloss er die Tür auf und rannte nach nebenan in den Waschraum.
»Sarah!« Er fand sie am Boden vor dem Waschbecken liegend. Ihr Atem ging flach und stoßweise.
»Dustin ...« Sarahs Stimme war nur noch ein Hauchen. »Endlich, Dustin ...«
»Sarah, was ist passiert?«
Ich weiß nicht mehr genau, mir war plötzlich so ...« Sarah unterbrach sich, als sie Jonathan in der Tür erblickte. Mit offenem Mund starrte er auf die Szene vor sich.
Dustin warf ihm einen warnenden Blick zu und kniete sich neben Sarah. Er bettete ihren Kopf in seinen Schoß und hob vorsichtig ihren Arm hoch. Sein Herz setzte vor Schreck einen Schlag aus, als er ihren Ärmel hochkrempelte, um ihren Puls zu fühlen. Sarahs Arm war blutverschmiert.
May stutzte, als ihr Jonathan draußen mit düsterer Miene entgegenkam, und sie blieb stehen. Auch er schien zunächst überrascht, als er sie erblickte, doch gleich darauf setzte er sein strahlendstes Lächeln auf. »May, hi!«
May wartete, bis Jonathan direkt vor ihr stand, und musterte ihn kritisch. Es gab so vieles, was sie mit ihm besprechen wollte, dass sie plötzlich gar nicht mehr wusste, womit sie eigentlich beginnen sollte. Schließlich wollte sie in ihren Ermittlungen weiterkommen und ihn nicht mit zu vielen Fragen in die Flucht schlagen. Sie holte tief Luft und versuchte, etwas ruhiger zu werden.
»Alles klar, Jonathan?«
»Ja, natürlich, alles in Ordnung, wie immer. Du weißt ja, bösen Menschen geht es meistens gut.« Er zwinkerte ihr schelmisch zu.
May erwiderte sein Lächeln nicht, sondern sah ihm unverwandt in die Augen. Sie erschienen ihr müde und glanzlos. »Jonathan, was ist eigentlich los mit dir?«, begann sie, »ich erkenne dich in letzter Zeit kaum noch wieder. Dich bedrückt doch irgendetwas, oder? Ich meine, du tust zwar ständig so, als wärst du bester Laune, aber in Wirklichkeit belügst du mit diesem bemühten Getue nur dich und andere, habe ich recht?« May schluckte. Es fiel ihr schwer, so direkt mit jemandem zu sprechen. Sie räusperte sich. »Also, wir kennen uns doch nun lange genug und ich glaube, ich weiß, wann du wirklich gut drauf bist und wann nicht. Willst du vielleicht ... mit mir darüber reden?«
Jonathan runzelte die Stirn, dann schüttelte er verwundert den Kopf. »Ich weiß nicht genau, was du meinst, aber lass uns doch eine Runde spazieren gehen, wenn du unbedingt reden
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