Blood Romance 03 - Bittersuesse Erinnerung
ließ.
Plötzlich schielte Henry zur Seite und Dustin sah am Boden neben ihm ein Messer aufblitzen. Er griff danach, bevor Henry es tun konnte, und setzte es seinem Gegenüber an die Kehle. Blut klebte an der Klinge. »Du Mistkerl, du bestialischer Mörder ... Warum hast du das getan? Sag endlich etwas ... Warum hast du dich an meinem Hund vergriffen? Etwa, um mir damit eins auszuwischen? Hast du ihn dir deshalb erst zum Freund gemacht, um ihn dann kaltblütig zu ermorden?«
Henry hustete und rang nach Luft. »Er ... Er war doch schon alt«, ächzte er. »Ich habe ihn hier gefunden ... zufällig. Er ... war schon verwundet, konnte kaum mehr laufen ... Er wäre kümmerlich krepiert, wenn ich ihm nicht mit dem Messer die Kehle ...«
»Hör auf. den Helden zu spielen, du Scheusal«, zischte Dustin au Henrys Ohr. »Seit dem Tag, an dem du hier aufgetaucht bist, kommst du mir seltsam vor. Ständig schleichst du um Emilia herum, als wärst du ihr Schatten, begaffst sie ununterbrochen mit deinen kalten Augen. Wer weiß, welche kranken Gedanken dir dabei im Kopf herum spuken. Du glaubst, niemand bemerkt, wie du sie mit deinen Blicken förmlich ausziehst, aber da irrst du dich. Und soll ich dir noch was sagen? Du bist ein Nichts, ein Niemand, und sie weiß es besser als jeder andere. Emilia weiß, dass du ein Verlierer bist, sie ist nur zu höflich, es dir ins Gesicht zu sagen. In Wahrheit hat sie nichts für dich übrig. Sie sieht dich noch nicht einmal, du bist ihr egal.«
Dustin spürte, wie Henrys Körper unter ihm bebte und er panisch nach Luft schnappte.
»Und weil du merkst, dass du es nie zu etwas bringen wirst, übst du deine Macht an schwächeren Kreaturen aus. Du bist nicht nur dumm und einfältig, du bist außerdem widerwärtig und hässlich - bemitleidenswerter als jeder alte Hund ...« Dustin presste die Klinge des Messers noch fester an Henrys Kehle.
Ein Millimeter noch, dann ist er erledigt. Niemand wird es merken, ich verscharre ihn hier ... Nur ein Millimeter noch, dann bohrt sich die Klinge durch seine fahle Haut ... Dann wird ihn der Tod packen ...
Dustins Muskeln zuckten. Sie schmerzten unter seiner Angespanntheit...
Ein Millimeter noch ...
Dustin schloss die Augen, biss die Zähne aufeinander, machte sich bereit und - ließ das Messer fallen. Henry griff sich an die Kehle und rang keuchend nach Luft. Ein paar Sekunden vergingen, dann stand Dustin auf und spuckte voller Abscheu neben Henry auf den Boden. »Mach, dass du hier wegkommst, du ekelst mich an!« Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Sein Atem ging schnell und sein Puls raste. »Sei froh, dass ich dir nicht dasselbe antue wie du Fido!«
Henry starrte Dustin einen Moment ausdruckslos und ohne ein weiteres Wort an, dann rappelte er sich auf und verschwand, das rechte Bein hinter sich herziehend, irgendwo im Nebel.
»Lass dich bloß nie wieder auf Montebello blicken oder ich bring dich um! Hörst du?« Dustins Worte verhallten dumpf im milchigen Nichts.
Er blieb noch einige Augenblicke regungslos stehen und starrte in den Nebel, dann ließ er sich neben dem leblosen Bündel zu Boden. Es war still um ihn herum. Unheimlich still. Da war er wieder, der Tod. Er hatte wieder zugeschlagen, ebenso unerwartet wie beim letzten Mal. Dustin spürte seine Anwesenheit noch, seinen kalten Atem in seinem Nacken. Er war immer und überall, lauerte hinter allen Ecken, hielt sich so lange im Verborgenen, bis er sich wieder auf ein ahnungsloses Opfer stürzte.
Nur das wilde, aufgebrachte Herz in seiner eigenen Brust verriet Dustin, dass er selbst noch lebte und die Welt um ihn nicht stehen geblieben war. Aber irgendwann würde auch sein Herz aufhören zu schlagen, der Tod würde es mit seinen kalten Fingern umklammern und anhalten. Die Angst ... sie kroch wieder herbei, versuchte Dustin zu umzingeln ... Er durfte es nicht zulassen, nicht jetzt, nicht noch einmal.
Dustin begann hastig und mit bloßen Händen, eine tiefe Mulde in den sandigen Waldboden zu graben. Darin bettete er Fido und bedeckte ihn mit Erde und Zweigen. »Mach es gut. Fido«, murmelte er erschöpft. »Es tut mir so leid. Du hast dich dein Leben lang auf mich verlassen. Und ich konnte dich nicht beschützen.«
Als Dustin sich erhob, ertasteten seine Finger plötzlich einen harten Gegenstand. Er hob ihn auf und das Objekt lag glatt und warm in seiner Hand. Im Schein des Mondes versuchte Dustin, zu erkennen, worum es sich handelte. Es schien ein Glasröhrchen mit einem Stopfen zu
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