Blood Romance 04 - Ruf der Ewigkeit
den sie gekommen waren. Henry folgte ihr wortlos. Seine Kehle fühlte sich an wie zugeschnürt.
Zu Hause begann Henry mit seiner Suche nach George. Er fragte seine Mutter nach ihm, doch Rose konnte auch nicht wirklich Auskunft geben. »Er war jemand, dessen Namen man lieber nicht im Hause Wellington erwähnte«, erklärte sie. »Zumindest nicht, wenn Mr Wellington anwesend war. Und ich will es ebenso wenig. Was um Himmels willen interessiert dich dieser ... Unmensch, Henry? Du weißt doch, was er angerichtet hat!«
Henry durchstöberte daraufhin sämtliche Schubladen und Fächer des verstorbenen Hausherrn nach nützlichen Hinweisen. Was er schließlich fand, war ein Bündel alter Briefe. Unter anderem auch jener letzte, in welchem George seinem ehemals besten Freund Edward die Freundschaft kündigte, weil dieser ihm seine große Liebe, Emilias Mutter, und damit jeglichen Lebenssinn, genommen hatte. Henry nahm den Brief an sich. Der Absender auf dem Umschlag war sein einziger Anhaltspunkt und er würde versuchen, mit George in Kontakt zu treten und ihn um Hilfe zu bitten. Henry wusste, dass es ein ziemlich gewagter Plan war, aber er hatte keine andere Wahl. Allein und ohne weitere Ratschläge würde er Emilia nicht mehr beistehen können. Jedenfalls nicht auf ewig ...
Noch in derselben Nacht setzte sich Henry an seinen Tisch und begann zu schreiben. Die ersten Sätze fielen ihm schwer und er benötigte mehrere Anläufe, bis ihm die Worte endlich aus der Feder flossen.
Sehr verehrter George McCartney,
wahrscheinlich erinnern Sie sich nicht mehr an mich, wir sind uns nur ein einziges Mal begegnet. Damals, an jenem Abend, als Sie Mrs Wellington getötet und ihre Tochter zur Unsterblichen gemacht haben. Ich bin ein guter Freund von Emilia und wende mich in größter Ratlosigkeit an Sie. Vielleicht betrachten Sie meinen Schritt als dreist und respektlos, aber möglicherweise können Sie meine Entscheidung, Ihnen zu schreiben, besser nachvollziehen, wenn ich Ihnen anvertraue, dass ich Emilia liebe. Mehr als alles andere auf dieser Welt, mehr als mein eigenes Leben. Ich glaube, Sie wissen, wovon ich spreche, denn Sie haben auch einst geliebt.
Ich weiß um Emilias Zustand und dank des Briefes, den Sie ihr hinterlassen haben, kamen wir bis vor Kurzem gut mit den Veränderungen zurecht. Doch nun ist etwas vorgefallen, das mich zutiefst verunsichert und traurig stimmt. Bitte, bester George, falls Sie dieser Brief überhaupt erreicht, so nehmen Sie sich die Zeit, meine Zeilen zu lesen. Sie haben ausreichend davon. Ich werde Ihnen für Ihre Hilfe dankbar sein, solange ich lebe ...
Seit jener Nacht, in der Emilia sich ihm anvertraut hatte, ging Henry noch häufiger auf die Jagd als früher. Emilia sollte ihren Hunger stillen, bevor er zu laut werden und sich in ihre eigentliche, qualvolle Gier nach Menschenblut verwandeln konnte. So gewöhnte sich Henry mit jedem weiteren seiner nächtlichen Waldausflüge etwas mehr daran, skrupellos und wahllos zu töten und sein schlechtes Gewissen gegenüber seinen Opfern einzustellen.
»Heute werde ich es selbst tun«, sagte Emilia eines späten Abends, als Henry sich erneut auf die Jagd machen wollte.
Sie hatte ihr langes dunkles Kapuzencape umgelegt und die Haare streng aus dem Gesicht frisiert. Sie sah schön aus. Und entschlossen.
»Ich weiß nicht, Emilia. Es ist nicht so leicht, wie du es dir vielleicht vorstellst ... Manchmal ist der Anblick grausam und es würde dich erschrecken, sie sterben zu sehen. Überlass das lieber mir«, versuchte Henry sie umzustimmen.
»Ich muss es aber lernen. Zeig mir, wie es geht. Wenn du es schaffst, dann kann ich es auch.« Ihr Ton verriet ihm, dass es keinen Sinn hatte, weiter zu diskutieren. Emilia hatte ihren Entschluss gefasst.
Ihre Pupillen bewegten sich wach und rastlos, als sie den Wald erreichten und sie schien sich jeden Ast und jeden Zweig genau einprägen zu wollen. Zunächst blieb Emilia noch dicht hinter Henry und hielt sich an einem Zipfels seines Mantels fest. Doch schon bald wurde sie mutiger, blieb immer öfter stehen, schnellte von einem Augenblick auf den anderen herum und verharrte dann regungslos und witternd, als nähme sie dort in der Dunkelheit eine Bewegung oder ein Geräusch wahr, die Henrys eigenen Sinnen verborgen blieben.
»Emilia, halte nicht so viel Abstand, sonst verlieren wir uns noch.« Heute war der Himmel bedeckt und Henry hatte große Schwierigkeiten, im schwachen Mondschein irgendetwas zu erkennen. Er
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