Blood Romance 04 - Ruf der Ewigkeit
ihren mädchenhaft fröhlichen Ton angenommen, der Sarah von Anfang an so verwirrt hatte - weil er so falsch und heuchlerisch war, weil er den grauenhaften, wahren Inhalt ihrer Worte nur übertünchte wie Vanillearoma den Geschmack von bitterer Medizin.
Sarah hatte das Bedürfnis, irgendetwas zu sagen, aber es gelang ihr nicht, auch nur einen Mucks von sich zu geben. Sie stand wie unter Schock. Aber dafür rührte sich Jonathan endlich und seine Augen lösten sich von Emilia. Langsam öffnete er die Lippen.
»Ja, also, dein Vorschlag ist wirklich nicht schlecht«, sagte er tonlos und Sarah traf der Satz wie ein Faustschlag. Er stand also auf Emilias Seite.
»Nicht schlecht oder unübertrefflich und absolut genial?«
Jonathan ging nicht auf Emilias spitze Frage ein. »Ich schätze, wir bekommen das irgendwie zusammen hin, was meinst du, Sarah?«, fuhr er stattdessen in sachlichem Ton fort. Endlich sah er ihr in die Augen. Sarah öffnete den Mund. Sie wollte protestieren, wollte »Nein!« rufen, wollte Emilia und ihn als wahnsinnig beschimpfen, als gemeine, hinterhältige Lügner. Sie wollte hinausschreien, dass sie Dustin niemals verraten würde, selbst wenn sie eine Ahnung davon hätte, wo er steckte. Stattdessen sagte sie ... nichts. Und nickte nur stumm.
»Wunderbar, dann sind wir uns ja einig.« Emilia setzte sich wieder. »Es gibt nur noch ein paar klitzekleine Details, die ich in der Eile vergessen habe zu erwähnen. Sozusagen das Kleingedruckte in unserem hübsch ausgeklügelten Vertrag.« Sie blickte wieder zwischen Sarah und Jonathan hin und her, ohne ihr falsches, irreführendes Lächeln einzustellen. Ihre weißen Zähne blitzten. »Ich erwähnte ja bereits, dass meine Geduld derzeit nur noch an einem seidenen Faden hängt. Deshalb dieser kleine Zusatz, der mich einerseits entlastet und unser Spielchen zugleich noch eine Spur spannender macht.« Sie machte eine ihrer Künstlerpausen. »Bis ich Dustin vor mir habe und meine Gier nach Vergeltung stillen kann, wird es weitere Opfer in Rapids geben«, verkündete sie schließlich. »Und zwar kein läppisches Viehzeug, sondern menschliche Opfer. Dabei ... kann es jeden treffen.«
Sarah zuckte zusammen und schreckliche Bilder traten ihr vor Augen. Anna, Simon, Clara, das Mädchen aus den Nachrichten, das verunglückte Pärchen ... alle entstellt, ausgesaugt, verstümmelt. Sie musste sich an der Tischkante festhalten.
»Außerdem noch etwas zum zeitlichen Ablauf«, fuhr Emilia fort. »Das Ultimatum, welches ich gestellt hatte, gilt natürlich nach wie vor!«
Sarah verstand nicht, wovon Emilia sprach, aber anscheinend galt dieser Punkt Jonathan. Emilia warf ihm einen eiskalten Blick zu.
»Was bleibt, sind also noch drei Tage - mit heute, versteht sich.« Sie lachte schrill auf. »Wie kleinlich diese Zeitrechnerei doch ist. Beinahe peinlich, dass sich unsereiner überhaupt noch darauf beruft, aber in Situationen wie dieser unerlässlich, wie ich feststellen muss.«
Jonathan erwiderte nichts, aber Sarah glaubte zu erkennen, dass seine Hände zitterten.
»Was mit dir geschieht, lieber Henry, falls du mich wieder enttäuschst und das Ultimatum abgelaufen ist, kannst du dir ja vorstellen. Wir hatten uns schließlich schon beiläufig darüber unterhalten. Und Sarah, mein Täubchen«, sie wandte sich nun ihr zu, »ich habe hin- und her überlegt, wie ich die Sache mit dir regeln soll. Schwierig, wirklich schwierig. Ich erwähnte ja bereits, dass ich dich gut leiden kann. Dennoch - so leid es mir tut, wir beide werden uns voneinander verabschieden müssen, wenn Dustin bis Dienstagnacht noch immer nicht in meiner Gewalt ist.« Sie setzte ein trauriges, mitleidsvolles Gesicht auf. »Ich kann mir vorstellen, dass diese Tatsache weder dir noch deinem Verehrer hier besonders gefallen wird, aber keine Angst. Du wirst nicht viel spüren und ich verspreche dir, nicht das Geringste von dir übrig zu lassen, sodass dir zumindest dieses anstrengende Dasein in der Ewigkeit erspart bleibt. Man soll mir nicht nachsagen können, ich wäre nicht fair.« Emilia stand auf und klatschte in die Hände. »So, aber nun fort mit diesen trüben Gedanken! Das alles sind ja nur Eventualitäten, über die wir uns nicht voreilig den Kopf zerbrechen sollten. Widmen wir uns lieber unserem Plan und vertun keine kostbare Zeit mehr!« Sie kicherte. »Kostbare Zeit«, wiederholte sie kopfschüttelnd. Dann nickte sie Sarah und Jonathan zu. »Jetzt seid ihr dran. Ich lasse euch zwei Turteltäubchen
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