Blood Shot
Krankenhaus begleiten kann, wenn sie das will. Ich bring' Sie nach Hause.«
Ich überlegte. Vielleicht war es tatsächlich besser, heute nicht auch noch Caroline Rede und Antwort zu stehen. »Können wir bei meinem Wagen vorbeifahren? Er steht ungefähr eine halbe Meile flußabwärts.«
Er zückte sein Funkgerät und ließ einen uniformierten Beamten kommen - meine Freundin Mary Louise Neely. Sie salutierte schneidig und beäugte mich neugierig. Vielleicht war sie letztlich auch nur ein Mensch.
»Neely, ich möchte, daß Sie Miss Warshawski und mich zu ihrem Auto bringen. Dann fahren Sie zu der Adresse, die Miss Warshawski Ihnen geben wird.« Er gab ihr eine kurze Erklärung.
Officer Neely nickte begeistert. Für einen Sonderauftrag wurde man nicht alle Tage auserwählt, auch wenn es nur Chauffeurdienste waren. Sie folgte uns, als McGonnigal zu Bobby ging, um ihm Bescheid zu sagen.
Bobby stimmte nur widerwillig zu. Aber er wollte seinem Sergeant nicht vor mir und Officer Neely widersprechen. »Morgen wirst du dich mit mir unterhalten müssen, Vicki, ob du willst oder nicht. Hast du mich verstanden?«
»Ja, Bobby. Ich hab' dich verstanden. Morgen nachmittag. Ich bin viel gesprächiger, wenn ich ausgeschlafen habe.«
»Selbstverständlich, Prinzessin. Ihr Privatdetektive arbeitet, wenn ihr Lust habt, und das Aufräumen überlaßt ihr der Polizei. Du wirst mit mir sprechen, sobald ich dich brauche.«
Wieder tanzten Lichter vor meinen Augen. Ich befand mich in einem Zustand jenseits aller Müdigkeit. Und wenn ich nicht aufpaßte, würde ich anfangen zu halluzinieren. Wortlos folgte ich McGonnigal und Officer Neely hinaus in die Nacht.
40
Schüttelfrost
McGonnigal wendete meinen Wagen auf dem holprigen Gelände, und ich stellte den Beifahrersitz schräg und lehnte mich zurück. Augenblicklich dämmerte ich weg, aber die Bilder der Nacht explodierten in meinem Kopf. Keine Bilder von der schweigsamen Ruderpartie den Calu-met hinauf - sie gehörte bereits in das surreale Reich halb erinnerter Träume -, sondern Bilder von Louisa, wie sie auf der Trage am Ende der Werkshalle lag, von Dresbergs kalter Gleichgültigkeit, vom Warten auf die Polizei in Chigwells Büro. Vorher hatte ich keine Angst gehabt, aber jetzt mußte ich mich am Sitz festhalten, um das Zittern zu unterbinden.
»Der Schock kommt nachträglich.« McGonnigals Stimme klang wie die eines Arztes. »Dafür brauchen Sie sich nicht zu schämen.«
Ich stellte den Sitz wieder aufrecht. »Es ist einfach widerwärtig«, sagte ich. »Grauenvoll. Warum Jurshak das getan hat. Und was Dresberg ist. Kein menschliches Wesen mehr, sondern eine gefühllose Todesmaschine. Wenn mich ein paar Punks aus dem Hinterhalt angefallen hätten, würde ich mich besser fühlen.«
McGonnigal streckte den Arm aus und ergriff meine linke Hand. Er drückte sie, sagte aber nichts. Nach einer Weile ließ er sie wieder los und konzentrierte sich aufs Fahren. »Ein guter Polizist würde Ihre Erschöpfung ausnutzen und Sie dazu bringen, ihm das Grauenvolle zu erklären. Warum Jurshak das getan hat.«
Ich wappnete mich im Dunkeln und sammelte die Reste meines Verstandes zusammen. Erst denken, dann reden. Eine Maxime, die ich meinen Mandanten während meiner Tage als Pflichtverteidigerin eingebleut hatte. Zuerst wird man bis zum Umfallen von der Polizei verhört, dann bringen sie einem Mitgefühl entgegen und schließlich schüttet man ihnen sein Herz aus.
McGonnigal verlangsamte das Fahrtempo auf siebzig, als der Wagen zu vibrieren anfing. »Vermutlich haben Sie schon eine prima Geschichte in petto«, fuhr er fort »Und es wäre ein Beweis für die Grausamkeit der Polizei, sie in Ihrem Zustand aus Ihnen rauszuholen.«
Da war die Versuchung, ihm alles zu erzählen, was ich wußte, nahezu unwiderstehlich. Ich zwang mich, aus dem Fenster zu sehen, in der Dunkelheit etwas von der Landschaft zu erahnen, das Bild von Louisas verwirrtem Blick, als sie mich mit Gabriella verwechselte, zu verscheuchen.
McGonnigal schwieg, bis wir auf der Höhe des Loop waren, dann wollte er Lottys Adresse wissen. »Wollen Sie mit zu mir kommen?« fragte er schließlich völlig überraschend. »Auf einen Brandy? Abschalten?«
»Und Ihnen nach dem zweiten Glas im Bett all meine Geheimnisse anvertrauen? Nein ... Tut mir leid, ich wollte nur einen Witz machen.« Das Angebot klang verlockend, aber Lotty würde mich ungeduldig erwarten - ich konnte sie nicht einfach so hängen lassen. Ich versuchte es McGonnigal
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