Blood Shot
vormittag.«
»Sie war Ihre Geliebte, nicht wahr?« Ich fragte mich, ob seine hübschen filigranen Züge Nancy für seine Jugend und seine Unsicherheit hatten entschädigen können.
Er schüttelte wortlos den Kopf.
»Nancy hatte im Büro Ihres Vaters einen Liebhaber, von dem ihre Freunde nichts erfahren sollten. Es scheint mir ziemlich unwahrscheinlich, daß es Moe, Curly oder Larry von unten waren. Auch Mrs. May scheidet aus - Nancy hatte einen besseren Geschmack. Und außerdem, warum sollten Sie sonst zu ihrer Beerdigung gehen?«
»Vielleicht habe ich einfach nur die Arbeit, die sie für den Bezirk geleistet hat, bewundert«, murmelte er.
Mrs. May kam herein, ohne anzuklopfen. »Braucht Ihr beiden etwas? Wenn nicht, gehe ich jetzt. Willst du deinem Vater über die Unterredung hier eine Nachricht hinterlassen, Art?«
Er sah mich einen Augenblick hilflos an, schüttelte dann schweigend den Kopf.
»Danke, Mrs. May«, sagte ich freundlich. »Freut mich, Sie kennengelernt zu haben.«
Sie warf mir einen giftigen Blick zu und warf die Tür hinter sich zu. Durch das Milchglas in der oberen Türhälfte konnte ich ihren Schatten beobachten - zuerst blieb sie stehen, um einen Vergeltungsschlag in Erwägung zu ziehen, dann entfernte sie sich endlich.
»Wenn Sie nicht über Ihre Beziehung zu Nancy sprechen wollen, könnten Sie mir wenigstens die gleichen Informationen geben wie ihr. Warum hat sich Ihr großer Vater für SCRAPs Recyclinganlage interessiert?«
Er hielt sich an der Tischkante fest und sah mich flehentlich an. »Ich habe ihr überhaupt nichts gesagt. Ich kannte sie kaum. Und ich habe keine Ahnung, was meinen Vater an dieser Anlage interessiert. Würden Sie jetzt bitte gehen? Ich würde mich freuen wie - wie alle anderen auch, wenn Sie ihren Mörder finden, aber Sie müssen einsehen, daß ich nichts darüber weiß.«
Ich machte eine finstere Miene. Er war hochgradig nervös, aber mit Sicherheit nicht wegen mir. Er mußte einfach Nancys Liebhaber gewesen sein. Sonst wäre er heute morgen nicht in der Kirche gewesen. Aber ich wußte nicht, wie ich ihn dazu bringen sollte, mir zu vertrauen und darüber zu sprechen.
»Ja, ich werde gehen. Eine letzte Frage. Wie gut kennen Sie Leon Haas?«
Er sah mich ausdruckslos an. »Nie von ihm gehört.« »Steve Dresberg?«
Sein Gesicht wurde aschfahl, und er sackte nach vorn auf den Tisch.
19
Rauswurf
Es war bereits dunkel, als ich endlich zu Hause ankam. Ich war so lange in South Chicago geblieben, bis Art junior wieder Auto fahren konnte. Es wäre vielleicht unnötig grausam gewesen, ihn den Parteileuten zu übergeben, aber meine Nächstenliebe hatte ihn auch nicht gesprächiger gemacht. Völlig frustriert hatte ich ihn schließlich vor der Bezirksverwaltung zurückgelassen.
Die Heimfahrt stimmte mich nicht fröhlicher. Müde stieg ich die Treppe zum Haus hinauf, ließ die Schlüssel fallen, als ich aufsperren wollte, ließ sie auf der Treppe nach oben noch einmal fallen und schlurfte ein paar Stufen zurück, um sie aufzuheben. Hinter Mr. Contreras' Tür bellte Peppy. Ich hörte, wie das Schloß entriegelt wurde und blieb in Erwartung des Redeflusses stehen.
»Sind Sie das, Schätzchen? Gerade erst zurückgekommen? Heute war die Beerdigung Ihrer Freundin, oder? Aber Sie haben sich nicht betrunken, was? Manche Leute meinen, sie müßten ihren Kummer im Alkohol ertränken, aber glauben Sie mir, davon wird's nur noch schlimmer, nicht besser. Ich weiß das - hab's selbst versucht, öfter als einmal. Aber als Clara starb, hab' ich nur ein Glas getrunken und mich daran erinnert, wie sie sich immer geärgert hat, wenn ich von einer Beerdigung nach Haus' gekommen bin und einen in der Krone hatte. Da hab' ich mir gesagt: Nein, das machst du nicht, nicht nach den vielen Malen, die sie mich einen Dummkopf geschimpft hat, weil ich wegen einem Freund geweint hab', dessen Namen ich nicht mal mehr aussprechen konnte.«
»Nein«, sagte ich, zwang mich zu lächeln und hielt Peppy die Hand hin. »Ich habe nichts getrunken. Ich hab' mit 'nem Haufen Leuten geredet. War nicht gerade ein Vergnügen.«
»Geh'n Sie rauf und nehmen Sie ein heißes Bad. Wenn Sie fertig sind und sich ein bißchen ausgeruht haben, gibt's Abendessen. Ich hab' ein schönes Steak, das ich für eine besondere Gelegenheit aufgehoben hab', das ist genau, was Sie jetzt brauchen. Rotes Fleisch ist gut für Ihr Blut, und dann wird die Welt schon wieder besser aussehen.«
»Danke«, sagte ich. »Das ist sehr
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