Blood Shot
Papiere. Irgendwelches Belastungsmaterial, das so aufschlußreich war, daß jemand bereit war zu töten, um in seinen Besitz zu kommen. Etwas zittrig stieg ich die Treppe wieder hinunter. Die Verwüstung eines Hauses ist wie ein tätlicher Angriff auf eine Person. Wenn man in den eigenen vier Wänden nicht mehr sicher ist, ist man nirgends sicher.
Mrs. Cleghorn erwartete mich am Fuß der Treppe. Sie legte mir mütterlich den Arm um die Schulter - meine Schwäche half ihr, die Fassung wiederzugewinnen. »Das Eßzimmer ist das einzige weitere Zimmer, das Nancy renoviert hat. Die Einbauschränke hat sie als Büroablage benutzt, weil sie nicht genug Zeit und Geld hatte, das Büro zu renovieren.«
Wie es hier aussah, das übertraf meine Vorstellungskraft bei weitem. Geschirr lag zerbrochen auf dem Boden, die Polster der Stühle waren zerfetzt, alle Bretter des Schranks, der eine ganze Wand bedeckte, zertrümmert, und die Papiere, die Nancys persönliches Leben ausmachten, lagen verstreut herum wie Konfetti nach einer Parade.
Ich biß die Zähne zusammen und versuchte, meine Gefühle im Zaum zu halten, während ich den Schutt durchstöberte. Nach einiger Zeit rief mich Mrs. Cleghorn; dann gab sie sich einen Ruck und trat der Verwüstung noch einmal gegenüber. Gemeinsam sortierten wir Bankauszüge aus, fanden ein Adreßbuch und hoben alles auf, was irgend etwas mit Hypotheken oder Versicherungen zu tun hatte, damit Mrs. Cleghorn es später durchgehen konnte.
Bevor wir das Haus verließen, warf ich einen Blick in die anderen Zimmer. Überall waren Dielenbretter herausgebrochen. In allen Kaminen - insgesamt sechs - fehlten die Roste. Auch die altmodische Küche hatte ihren Teil abbekommen. Vermutlich hatte sie auch vorher nicht sehr einladend ausgesehen, das ganze Inventar, Spülbecken, Kühlschrank, und der abblätternde Wandanstrich stammte aus den zwanziger Jahren. Im typischen Vandalenstil hatten die Eindringlinge Mehl und Zucker ausgeschüttet und den Kühlschrank leergeräumt. Für den Fall, daß sie gefaßt würden, wünschte ich, daß sie das erste Jahr ihrer Strafe damit verbringen müßten, das Haus zu renovieren.
Sie waren durch die Hintertür eingedrungen. Das Schloß war aufgebrochen und die Tür stand offen. Der Hinterhof war so verwildert, daß kein Mensch, der auf dem Weg dahinter vorbeiging, bemerkt hätte, daß die Tür offenstand. Mrs. Cleghorn holte Hammer und Nägel aus dem Werkzeugkasten in der Vorratskammer, und ich nagelte ein Brett über die Tür. Weiter gab es nichts zu tun. Schweigend gingen wir.
Im Haus an der Muskegon Avenue rief ich Bobby an, um ihm mitzuteilen, was geschehen war. Er stöhnte, wollte dem zuständigen Revier Bescheid geben und bedeutete mir, mich zur Verfügung zu halten, falls die Kollegen Fragen an mich hätten.
»Selbstverständlich«, brummte ich. »Ich werde mich den Rest der Woche nicht vom Telefon wegbewegen, wenn es die Polizei glücklich macht.« Wahrscheinlich hatte er schon aufgelegt.
Mrs. Cleghorn hatte Kaffee gekocht. Sie brachte mir eine Tasse und ein Stück Kuchen.
»Wonach haben sie gesucht, Victoria?« fragte sie nach der zweiten Tasse.
Ich stocherte bedrückt in dem Kuchen herum. »Etwas Kleines. Flaches. Vermutlich irgendwelche Papiere. Ich glaube nicht, daß sie sie gefunden haben, sonst hätten sie in den anderen Zimmern nicht die Ziegel aus den Kaminen gebrochen. Wo könnte Nancy sie versteckt haben? Sind Sie sicher, daß sie nichts hier gelassen hat?«
Mrs. Cleghorn schüttelte den Kopf. »Sie könnte vorbeigekommen sein, während ich in der Arbeit war. Aber - ich weiß nicht. Willst du dir ihr altes Schlafzimmer anschauen?«
Sie schickte mich hinauf in das alte Turmzimmer, in dem Nancy und ich auf Robin Hood oder gestrandete Piraten gewartet hatten. Das Zimmer machte einen unerträglich traurigen Eindruck. Ich suchte unter Teddybären und Trophäen und hinter einem verblaßten Beatlesplakat, aber ich fand nichts. Als ich die Treppe wieder hinunterstieg, traf die Polizei ein. Wir sagten aus, daß ich zusammen mit Mrs. Cleghorn zu Nancys Haus gefahren sei, um deren Papiere zu holen, daß Mrs. Cleg-horn nicht allein habe gehen wollen und ich eine alte Freundin sei und daß wir dort ein Chaos vorgefunden und dann die Polizei verständigt hätten. Die Polizisten waren sehr jung und pflichtbewußt und schrieben alles genau mit, zeigten sich aber nicht aufgeregter als bei jedem anderen Einbruch in der South Side. Sie gingen, ohne uns Instruktionen
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