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Blood Shot

Blood Shot

Titel: Blood Shot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Nachtschicht nach Hause, andere zu späten Vergnügungen in die Stadt. Ich reihte mich in die Schlange anonymer Autos ein. Die ununterbrochene Lichterkette - die roten Rücklichter und die Straßenlampen, die sich, soweit das Auge reichte, aneinanderreihten - gab mir das Gefühl, isoliert und allein zu sein. Ein kleiner Fleck in dem riesigen Universum der Lichter, ein Staubkörnchen, das sich mit dem Schlamm des Dead Stick Pond vermischen konnte, ohne eine Spur zu hinterlassen. Meine gedrückte Stimmung war noch nicht vorbei, als ich die Belmont Avenue in Richtung meiner Wohnung entlangfuhr. Einerseits hoffte ich, Mr. Contreras und Peppy wären noch wach, um mich zu begrüßen, andererseits sagte ich mir streng, daß ich mich nicht ständig durch den alten Mann überwachen lassen konnte.
    Meine geheime Sehnsucht rettete mir möglicherweise das Leben. Ich blieb vor Mr. Contreras' Wohnung im Erdgeschoß stehen und stellte den Stapel der Chigwell-Tagebücher ab, um mir den Schnürsenkel zu binden - dabei hoffte ich, daß der Hund wach werden würde. Aber als sich nach einer Zeit immer noch nichts rührte, wußte ich, daß die Wohnung leer war. Ich sah die Treppe hinauf und fragte mich lächerlicherweise, ob die beiden oben auf mich warteten.
    Etwas stimmte nicht. Ich zwang mich dazu, reglos stehenzubleiben und nachzudenken. Der Flur im ersten Stock war dunkel. Eine Glühbirne konnte durchgebrannt sein, aber daß beide ausgefallen waren, wäre zuviel des Zufalls gewesen. Aus der obersten Etage war ein leises Gemurmel zu hören, das jedoch nicht danach klang, als unterhielte sich Mr. Contreras mit Peppy. Ich hob die Tagebücher auf und ging so leise wie möglich zur Haustür. Dort zog ich den Revolver und entsicherte ihn, sah hinaus auf die Straße, bückte mich, öffnete die Tür und glitt hinaus in die Nacht.
    Niemand schoß auf mich. Die einzige Person auf der Straße war ein düster dreinblickender junger Mann, der ein Haus weiter wohnte. Er sah mich nicht einmal an, als ich an ihm vorbei zur Belmont Avenue hastete. Mit meinem Auto wollte ich nicht fahren - wenn jemand vor meiner Wohnung auf mich wartete, war es gut möglich, daß auch der Chevy observiert wurde. Sollten sie ruhig in dem Glauben bleiben, daß ich mich noch in der Gegend aufhielt. Falls sich hier jemand herumtrieb. Möglicherweise sah ich vor Angst und Müdigkeit schon Gespenster.
    Ich winkte einem Taxi, das mich zu Lotty bringen sollte. Sie wohnte nur eine Meile von mir entfernt, aber ich war nicht in der Lage, so weit zu gehen. Ich bat den Fahrer zu warten, bis die Haustür geöffnet wurde. In dem liebenswürdigen Tonfall der zeitgenössischen Taxifahrer pflaumte er mich an: »Ich bin doch nicht ihr Privateigentum. Ich fahre Sie, wohin Sie wollen, aber Ihr Leibwächter bin ich nicht.«
    »Großartig.« Ich steckte den Fünfdollarschein wieder ein, den ich ihm hatte geben wollen. »Dann kriegen Sie Ihr Geld eben erst, wenn ich weiß, ob jemand da ist.«
    Er begann mich anzuschreien, aber ich ignorierte ihn und öffnete die Wagentür. Daraufhin meinte er, handgreifliche Argumente zum Einsatz bringen zu müssen. Er drehte sich in seinem Sitz um und griff nach mir. Ich knallte ihm den Tagebuchstapel mit der ganzen Wucht meiner in den letzten Tagen aufgestauten Frustration auf den Arm.
    »Miststück!« zischte er. »Raus hier! Raus aus meinem Taxi. Ich brauch' dein Geld nicht.«
    Ich stieg aus, und er gab Gas und raste mit quietschenden Reifen davon. Jetzt fehlte nur noch, daß Lotty Bereitschaftsdienst hatte oder so tief schlief, daß sie das Läuten nicht hörte. Aber die Götter hielten an diesem Abend nicht nur Mißgeschick für mich bereit. Nach ein paar Minuten, während derer ich immer nervöser und gereizter wurde, krächzte ihre Stimme durch die Sprechanlage.
    »Ich bin's, Vic. Kann ich raufkommen?«
    Sie erwartete mich an der Wohnungstür; einen hellroten Morgenmantel fest um sich gezogen, sah sie aus wie ein kleiner Mandarin, der mit verschlafenen schwarzen Augen blinzelte.
    »Tut mir leid, Lotty, tut mir leid, daß ich dich geweckt habe. Aber ich konnte nicht nach Hause. Als ich ankam, hatte ich den Eindruck, daß mich dort ein Empfangskomitee erwartet.«
    »Falls du hierhergekommen bist, damit ich dir helfe, ein paar Gangster zu verjagen, ist meine Antwort ein entschiedenes Nein«, sagte sie. »Aber ich freue mich zu sehen, daß dir deine Haut immerhin soviel wert ist, daß du es nicht allein versuchst.«
    Ich überhörte ihren Sarkasmus.

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