Blood Sun
Post von Danny an mich.«
»Aber sie waren viel zu weit weg. Aus der Entfernung hätten sie niemals erkennen können, ob der Postbote hier ein Päckchen mit deinem Namen drauf abgibt.«
Max wusste selbst, dass das unlogisch war, doch im Moment interessierte ihn nur der Umschlag in seiner Hand. Max vermutete, dass Danny bei dem Versuch gestorben war, das Päckchen an ihn abzuschicken.
Die beiden Jungen saßen auf Max’ Bett. Max’ Name und die Adresse der Dartmoor High standen in großen Blockbuchstaben vorne drauf. Es konnte also kein Zweifel daran bestehen, für wen es bestimmt war. Er schnitt den gepolsterten Umschlag vorsichtig auf, aber in ihm befand sich nichts als ein Gewirr von Fäden.
»Was ist das?«, fragte Sayid.
»Keine Ahnung. Bist du sicher, dass der Postbote nicht noch mehr für mich hatte?«, fragte Max.
»Ja.«
»Dann muss es etwas bedeuten. Das ist nicht bloß irgendein Stück Schnur.« Max zog das Knäuel auseinander. Es bildete ein Muster und war etwa so groß wie seine beiden Handflächen nebeneinandergelegt. An einer dicken Schnur hatte jemand ein paar Fäden befestigt. Das Ganze sah aus wie ein kleines Röckchen. In die herabhängenden Fäden waren in unregelmäßigen Abständen Knoten geknüpft worden. An einigen Stellen waren sie rot gefärbt.
Max fuhr mit den Fingern über das raue Geflecht. Dafür sollte Danny gestorben sein? Für eine Handvoll Fäden?
Er machte seinen Laptop an und tippte bei Google Schnur und Knoten ein. Das ergab Zigtausend Treffer. Bei den meisten ging es ums Angeln.
»So kommen wir nicht weiter.« Plötzlich hatte Max eine Idee. »Was meinst du, könnten diese Knoten eine Art Verschlüsselung sein?«, fragte er Sayid.
Er scrollte weiter, aber die Links führten fast immer nur auf Seiten für Angler.
»Kann schon sein. Dann müsste man versuchen, den Schlüssel zu finden. Vielleicht ist es ein binärer Code. So was wie: Ein Knoten an einer bestimmten Stelle bedeutet dies oder das. Hat Danny dir vielleicht eine E-Mail geschickt, irgendeinen Hinweis?«
Max schüttelte den Kopf. »Nur dass er nach London kommen und sich melden wollte. Das war vor einem Monat.«
»Tja, man wird wohl ein bisschen Grips brauchen, um dieses Rätsel zu lösen. Würde es gern mal versuchen.«
»Es geht doch nichts über Bescheidenheit, Sayid. Wer hat dich eigentlich zum Chefdechiffrierer ernannt?«
»Einer muss es ja tun.«
»Ich glaube nicht, dass es ein binärer Code ist. Danny hat in Südamerika Feldforschung betrieben. Das hier hat garantiert was damit zu tun. Aber was will er mir bloß sagen?«
Max sah sich noch andere Treffer an: Drachenbau, Basteln, Bergsteigen. Nichts, was in die gesuchte Richtung führte.
Die Tür flog auf und Baskins stürmte herein wie ein wilder Stier. Max klappte rasch den Laptopdeckel zu.
»Hey, Max, uns fehlt noch ein Fußballspieler. Macht bestimmt Spaß im Schnee! Oh, hi, Sayid. Kommst du, Max? Los, bald regnet es wieder und dann ist es nicht mehr so lustig!«
»Nein danke, ich hab zu tun.«
»Ach komm schon! Ich brauch noch einen in meiner Mannschaft, der was draufhat. Und nimm mir nicht übel, was ich vorhin gesagt habe, okay? Dafür hast du mich ja ganz schön drangekriegt.« Baskins Blick fiel auf das Fadengewirr. »Woher hast du dieses Quipu?«, fragte er neugierig und nahm es in die Hand.
»Was soll das sein?«, hakte Max nach.
»Ein Quipu.«
Max sah ihn mit gerunzelter Stirn an. »Woher willst du das denn wissen?«
»Wir haben letztes Jahr Südamerika durchgenommen. Hoggart, dieser Trottel, hat immer Kippe verstanden, als M r Peterson uns von diesen alten Dingern erzählt hat. Stinklangweilig, nur nicht das mit den Menschenopfern. Das war cool. Die haben ihren Opfern die Eingeweide rausgenommen un d …«
Max nahm ihm das Ding aus der Hand und unterbrach seine blutrünstige Schilderung. »Wozu soll das gut sein?«
»Die Inkas haben sie zur Buchführung benutz t – wie viele Säcke Mais sie hatten oder so was. War ’ne Art Kurzschrift. Keine Ahnung. Kommst du nun oder nicht?«
Max schob ihn aus dem Zimmer. »Ich kann jetzt nicht. Danke, du hast mir sehr geholfen.«
Baskins hatte noch nie jemandem sehr geholfen und musste über das Kompliment erst einmal nachdenken. Als er an der Treppe angekommen war, wusste er zwar immer noch nicht, was er Nützliches gesagt haben könnte, doch dafür war ihm ein Ersatzspieler für Max eingefallen. Er polterte den Flur hinunter, um den Jungen abzuhole n – notfalls mit Gewalt.
Max
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