Blood Sun
und vor einem wolkenverhangenen Berg, der aussah wie ein Vulkan.
Von einem Vulkan hatte ja auch Professor Miller gesprochen, als es um die Entschlüsselung der Knoten ging. Max küsste das Bild seiner Mutter. Jetzt fühlte er sich stärker. Die Botschaft hatte einen Sinn. Dschungel und Vulkan. Ihm war, als riefe seine Mutter nach ihm: Komm zu mir. Finde die Wahrheit. Ich warte auf dich, Max.
»Ich komme, Mum, ich verspreche es dir«, flüsterte er.
Er schob die Fotos in das Etui zurück und steckte es in seine Hemdtasche. Er wollte sie ganz nah an seinem Herzen haben.
Max wusste, dass er seine Verfolger abgeschüttelt hatte, und das beruhigte ihn ungemein. Er schloss die Augen, stellte seinen inneren Wecker, der immer funktionierte, und schlief ein. Er würde rechtzeitig wach werden, um den Anschlussflug nach Mittelamerika zu erreichen.
Sein letzter Gedanke war: Ich bin in Sicherheit. Fürs Erste.
Fergus Jackson rannte den Korridor entlang. Die wenigen Jungen, denen er begegnete, wichen ihm aus. Wenn M r Jackson es eilig hatte, schlug er immer mit den Armen um sich wie ein Ertrinkender, kam aber trotzdem sehr schnell voran.
»Ja?«, keuchte er in das Telefon, zu dem man ihn gerufen hatte.
»M r Jackson? Hier ist Bob Ridgeway.«
»Sie haben Max gefunden?«, fragte Jackson voller Hoffnung, den Jungen endlich in Sicherheit zu wissen.
»Können Sie erst etwas überprüfen, bevor ich ins Detail gehe?«
M r Jackson hörte zu, tat, worum er gebeten wurde, und nachdem er die hundertdreiunddreißig Stufen runter und wieder hochgelaufen war, beantwortete er Ridgeways Frage.
»Ja. Josh Lewis’ Pass ist nicht mehr im Tresor. Der Junge ist zu Hause bei seiner Familie in Herefordshire. Woher wissen Sie, dass Max ihn gestohlen hat?«
»Unsere Freunde vom FBI und vom Heimatschutzministerium überprüfen die Fingerabdrücke aller Personen, die in die Vereinigten Staaten einreisen.«
»Er ist in Amerika?«
»Miami.«
»Was will er denn da? Haben sie ihn geschnappt? Geht es ihm gut? Wie haben Sie erfahren, dass er in Miami ist?« Die Fragen sprudelten nur so aus ihm heraus.
»Man ist unserer Bitte nachgegangen, auf Max’ Fingerabdrücke zu achten.«
»Aber wie sind Sie an seine Fingerabdrücke gekommen?«, fragte M r Jackson. Schließlich hatte er ihnen den Zugang zu Max’ Zimmer verweigert, weil er nicht wollte, dass die persönlichen Daten des Schülers in einem Polizeicomputer landeten.
Nach kurzem Zögern antwortete Ridgeway: »Wir haben einen Fingerabdruck auf seinem Laptop gefunden und weitergeleitet. Zum Glück mag das FBI die CIA ungefähr so sehr wie wir den MI6, also haben sie das für sich behalten. Die Leute vom FBI helfen ihren britischen Kollegen immer gern.«
M r Jackson machte Ridgeway Vorwürfe, auch wenn der Zweck in diesem Fall die Mittel heiligte. »Man wird Max wie einen Kriminellen behandeln, weil er unter falschem Namen und mit gestohlenen Dokumenten nach Amerika eingereist ist. Das könnte der Zukunft des Jungen enorm schaden.«
»Er hat gewusst, was er tat.«
M r Jackson schluckte seinen Ärger runter. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich mit dem Agenten zu streiten. »Wie geht es weiter? Werden Sie ihn finden? Können Sie ihn nach Hause holen?«
»Wir sind der nationale Sicherheitsdienst, nicht der MI6. Wir haben außerhalb der Landesgrenze keine Befugnisse. Aber ich dachte, es interessiert Sie, wo Max sich aufhält. Ich werde alles tun, was ich kann, um den Jungen in Sicherheit zu bringen. Das verspreche ich Ihnen. Wir haben veranlasst, dass er am Flughafen in Miami abgefangen wird, wenn er da wieder auftaucht. Max Gordon hat einen Flug nach Belize gebucht.«
»Belize?«
»Was könnte Max Gordon in Mittelamerika wollen?«, fragte Ridgeway.
M r Jackson fasste kurz zusammen, was er über die Familie Gordon wusste. Dann kam ihm ein Gedanke, der ihn sehr beunruhigte. »Was ist mit diesem Riga?«
»Ich habe keine Ahnung«, erwiderte Ridgeway wahrheitsgemäß. »Der Mann ist abgetaucht.«
»Dann ist Max also ganz allein und wir können ihn nicht beschützen.«
»Richtig. So sieht es aus. Ich rufe wieder an, wenn ich mehr weiß«, sagte Ridgeway und legte auf.
Der MI5-Beamte stand an seinem Bürofenster und blickte über die Lambeth Bridge auf die andere Seite der Themse. Auf das Auf und Ab der Gezeiten konnte man sich verlassen, aber nicht auf die Informationen, die die Nachrichtendienste sammelten. Manchmal jedoch kamen, wie im Fluss bei Ebbe, dunkle Geheimnisse ans
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