Blood Sun
Leerlauf. Waren das Mexikaner? Egal. Max würde sterben. Die Nationalität des Mannes, der auf den Abzug drückte, spielte keine Rolle.
Ein Dritter stieg an der Beifahrerseite aus. Er trug eine Lederjacke, ein schwarzes T-Shirt und Cowboystiefel. Goldene Ketten hingen um seinen Hals. Das war offenbar der Anführer. Er zog einen übel aussehenden Revolver aus dem Hosenbund und richtete ihn auf Max.
Max sah sich verzweifelt nach einem Fluchtweg um. Es gab keinen. Der verwundete Junge lag hinter ihm auf der Straße. Max ballte die Fäuste und wich nicht vom Fleck, er war bereit, um sein Leben zu kämpfen, wenn er dazu die Möglichkeit bekam. Die Todesangst schnürte ihm den Atem ab. Er wollte nicht sterben. Lass mich kämpfen! Gib mir eine Chance! Aber knall mich nicht einfach ab!
»Wir haben nichts getan!«, schrie Max. Vielleicht konnte er den Mann dazu bringen, noch etwas zu warten, ehe er auf den Abzug drückte. »Dieser Junge ist verletzt. Sehen Sie! Er braucht Hilfe!« Er suchte nach spanischen Wörtern. »Hospital. Ayuda. Helfen Sie ihm. Rufen Sie einen Krankenwagen! Un médic o – una ambulancia.«
Das alles spielte sich innerhalb von Sekunden ab. Jetzt schlug der Junge am Boden die Augen auf und sagte etwas. Max verstand das Wort Amigo . Der Mann ließ die Waffe sinken und bellte einen Befehl. Seine zwei Begleiter packten den verletzten Jungen und legten ihn auf den Rücksitz. In der Ferne heulten Polizeisirenen. Waren die auf dem Weg hierher? Sie wurden leiser.
Der Gangster starrte Max an. Er hob die Pistole. Dann sagte er in einem Englisch mit starkem Latino-Akzent: »Du hast meinen dämlichen Bruder gerettet. Du hast was gut bei mir. Steig ein!«
Der Geländewagen raste durch die Nacht. Nach wenigen Minuten ließen sie die Hochhäuser der Stadt hinter sich. Als es zu dämmern begann, machte der Fahrer die Scheinwerfer aus. Berge von Frachtcontainern und die Stahlskelette von Ladekränen ließen erkennen, dass sie sich dem Hafen näherten.
Max hielt sich gut fest, denn der Fahrer überholte in wilden Schlangenlinien alles, was vor ihnen fuhr. Die beiden auf dem Rücksitz hatten einen Erste-Hilfe-Koffer aufgeklappt. Einer betupfte die Wunde des Jungen mit einer klaren, antiseptisch riechenden Flüssigkeit. Der schmächtige Kerl biss die Zähne zusammen und machte in Anwesenheit dieser Männer einen wesentlich tougheren Eindruck als bisher. Der andere streute weißes Puder auf die Verletzung. Dann schlossen sie die Wundränder mit schmalen Klammern und klebten einen sauberen Verband darüber.
Max sah sofort, dass sie dies nicht zum ersten Mal taten. Schusswunden waren in ihrem Geschäft offenbar nichts Ungewöhnliches.
Der Junge grinste. Jetzt ging es ihm wieder gut. Er streckte Max eine Hand entgegen. Max’ Kleider waren mit seinem Blut beschmiert. Beide sahen aus, als kämen sie von einem Schlachtfeld.
Der Junge sprach relativ flüssiges Englisch.
»Du hast mich gerettet. Wir sind Freunde, ja? Ich heiße Xavier Morera Escobodo García. Und du?«
»Max. Einfach Max.«
11
D as Boot donnerte mit ohrenbetäubendem Lärm über die Wellen. Max war angeschnallt, Xavier saß neben ihm. Die Kraft des Motors war einfach atemberaubend. Max hätte vor Glück schreien können. Diese Männer würden ihn nicht töten. Sie hatten ihn auf eine Reise ins Unbekannte mitgenommen. Natürlich waren das Kriminelle, aber Xavier hatte Max versprochen, dass ihm nichts geschehen werde. Sie fuhren zurück in ihre Heimat, die irgendwo in Mittelamerika lag, und Max begleitete sie. Dass er dabei seinem eigenen Ziel immer näher kam, freute ihn.
Die ersten Lichtstrahlen der Morgensonne glitzerten auf dem Meer. Das Wasser war warm, die Luft jedoch noch sehr frisch. Besonders bei dieser Geschwindigkeit. Max blickte zurück. Die Küste war schon außer Sicht, um sie herum war nichts als Wasser.
»So ein Boot nennt man Go-Fast-Boat «, hatte Xavier ihm erklärt, als sie die versteckte Werft im Hafen von Miami erreicht hatten. »Es ist sehr schnell.«
So hatte Max sich immer ein richtiges Rennboot vorgestellt: spitzer Bug, schlanker Rumpf, fast zwanzig Meter lang und ein starker Tausend-PS-Motor.
Xaviers Bruder schob den Gashebel nach vorn, der Bug hob sich und sie schossen nur so dahin.
Max sah auf die Geschwindigkeitsanzeige, die auf GPS basierte. Hundert Kilometer pro Stunde. Max hatte schon in Flugzeugen gesessen, die langsamer waren.
Xavier schrie durch den Lärm: »Wir sind jetzt schnell. Die Americanos «, er verzog
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