Blood Sun
das Gesicht, »mögen uns nicht. Die sind immer hinter uns her.« Nun lächelte er und zeigte dabei seine krummen Zähne. »Aber die kriegen uns nicht. Die haben nicht solche Boote.«
»Haben die Amerikaner auf euch geschossen?«, schrie Max ihm ins Ohr.
Xavier schüttelte den Kopf. »Eine andere Gang. Wir haben das Geschäft von ihnen übernommen. Mein Bruder, Alejandro, hat große Pläne.«
Max wollte die Frage eigentlich nicht stellen, aber er musste es wissen. »Drogen?«
» Sí . Jede Menge. Dickes Geschäft. Von Mittelamerika nach Miami. Sehr viel Geld.«
Das Dröhnen des Motors und der starke Fahrtwind ließen ein langes Gespräch nicht zu. Der weite Horizont, die offene See und das pfeilschnell dahinsausende Boot erzeugten bei Max ein Gefühl von Hilflosigkeit.
Sei vorsichtig mit dem, was du dir wünschst, sagte eine Stimme in seinem Kopf. Vielleicht willst du es nicht mehr, wenn du es bekommst. Er hatte sich so sehr danach gesehnt, nach Mittelamerika zu kommen, hätte aber im Leben nicht gedacht, dass er dazu eine Schießerei überstehen und den Bruder eines Drogenschmugglers retten musste, dem er nun auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Er hatte nicht nur einen Pass gestohlen und war illegal nach Amerika eingereist, sondern gehörte jetzt auch noch zu einer gefährlichen Gang. Er wusste nicht, was schlimmer war: zu dem Stützpunkt eines Drogenschmugglers gebracht oder von der Polizei festgenommen zu werden. Er war nicht besser dran als irgendein Flüchtling. Aber wenigstens bewegte er sich in die richtige Richtung.
Max dachte über seine Lage nach. Er war nicht unmittelbar in Gefahr. Was würde sein Dad tun? Er ließ es zu, dass sein Vater vor seinem geistigen Auge erschien, und unterdrückte seine Wut auf ihn.
Regel Nummer eins: keine Panik. Regel Nummer zwei: Geduld haben, beobachten und zuhören. Regel Nummer drei: immer bereit sein und handeln, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.
Und was hieß das jetzt für ihn?
Er musste fliehen.
Charlie Morgan saß mit zwei FBI-Agenten im Sicherheitsraum des Flughafens von Miami. Überwachungskameras filmten alle Passagiere, die kamen oder gingen, doch auf keinem der Monitore war Max Gordon zu sehen.
Nichts wies darauf hin, dass er unter dem Namen Joshua Lewis irgendwo eingecheckt hatte. Das Flugzeug nach Belize war bereits ohne Max gestartet. Die Mitarbeiter der Fluggesellschaft waren eingeweiht und sollten Alarm schlagen, aber bis jetzt war dies nicht passiert.
Hatte Max noch einen anderen Ausweis?
»Wo steckt er bloß?«, fragte Charlie.
Das FBI tat Ridgeway den Gefallen, an diesem Flughafen nach Max Ausschau zu halten, um ihn daran zu hindern, Amerika zu verlassen. Doch sie hatten nicht mehr Zeit, als die Höflichkeit vorschrieb.
»Wir können alle Reservierungen und jungen Männer überprüfen, die schon eingecheckt haben«, sagte einer der beiden Agenten, »doch wenn der Kerl so schlau ist, wie Sie sagen, dann ist die Sache mit Belize vielleicht nur ein weiteres Ablenkungsmanöver.«
»Möglich«, sagte Charlie. »Aber er ist auch nur ein Mensch. Er war schnell. Er musste uns in die Irre führen, damit er Großbritannien verlassen konnte. Trotz der falschen Spuren, die er gelegt hat, haben wir herausgefunden, dass er in Miami ist und nach Mittelamerika reisen will.«
Die Männer überlegten, welche Möglichkeit es sonst gab. Vielleicht fuhr Max mit dem Bus zu einem anderen Flughafen und flog von dort aus nach Belize. Oder er schaffte es bis Florida und Texas und ging da über die Grenze nach Mexiko.
»Wir sollten sämtliche Flugbuchungen und den Busbahnhof überprüfen«, sagte Charlie.
Die Männer hoben abwehrend die Hände.
»Das ist eine Menge Arbeit«, sagte der eine.
»Und der Junge hat mindestens zwölf Stunden Vorsprung. Also, ich weiß nicht, Charlie. Das ist ziemlich viel verlangt«, sagte der andere.
Es war an der Zeit, die jungen Männer zu bezirzen und das hilflose Lächeln einzusetzen, das ihr schon in der Schule gute Dienste geleistet hatte. »In Ordnung, nur den zentralen Busbahnhof. Und falls dann noch Zeit bleibt, die Flugbuchungen. Was meinen Sie?«
Sie nickten. Sie würden ihren Wunsch erfüllen.
Das taten Männer immer.
Eine Stunde später saß Charlie vor einem Fernseher im Busbahnhof.
»Ein britischer Jugendlicher wurde gestern Nacht in eine Schießerei unter Drogendealern verwickelt. Die Polizei fand die Leiche eines bekannten Dealers in einem Müllcontainer unter dem Hostelfenster des Briten. Zwei
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