Blood Sun
sie wie er nach Heathrow. Max bat sie, ihn zu wecken, wenn sie am Flughafen ankämen. Dann schlang er einen Arm durch die Träger seines Rucksacks und versank in tiefen Schlaf.
Max stand in der grell erleuchteten Halle von Terminal fünf. Über ihm spannte sich das gewaltige Glasdach des Londoner Flughafens. Er hatte noch zwei Stunden Zeit bis zum Abflug. Das Einchecken hatte Sayid bereits online für ihn erledigt. Max konnte es nicht riskieren, telefonisch oder über einen öffentlichen Internetanschluss mit ihm Kontakt aufzunehmen. Wenn ihm jetzt etwas dazwischenkam, war alles umsonst gewesen.
Falls jemand spitzgekriegt hatte, was er getan hatte, oder falls sie Sayid irgendwie zwingen konnten, ihnen alles zu erzählen, würden sie Max schnappen, bevor er in die Maschine stieg. Das würde er bald herausfinden. Doch vorher musste er sich erst einmal waschen, etwas essen und eine Drogerie aufsuchen.
Das warme Wasser spülte den Schmutz und Schweiß von Max’ Haut. Er stand lange unter der Dusche und ordnete seine Gedanken. Er hatte noch so viel zu tun und wünschte sich einen Kompass, der ihm ganz genau anzeigte, wohin er zu gehen hatte. Er wollte von Miami in die Karibik fliegen, von da aus nach Belize und dann weiter ins Landesinnere vordringen, um die abgelegenen Dörfer an der Grenze aufzusuchen. Irgendwer dort musste wissen, was mit seiner Mutter geschehen wa r – eine fremde Frau konnte in so einer Gegend nicht unbemerkt bleiben. Danny hatte offenbar eine heiße Spur verfolg t – und einen viel zu hohen Preis dafür gezahlt.
Max hielt es für ein gutes Zeichen, dass er es wenigstens schon mal bis hierher geschafft hatte. Manchmal helfen einem die kleinen Dinge im Leben, neuen Mut zu fassen. Der Bau des Flughafens hatte fünf Milliarden Pfund gekostet und die Duschen waren ziemlich gut.
Als er sich am Flugsteig anstellte, fühlte er sich wie neugeboren. Er hatte seine Wendejacke auf die andere Seite gedreht und die billige Lesebrille aufgesetzt, die er in der Drogerie gekauft hatte. Insgeheim hoffte er, dass die braune Farbe, mit der er seine Haare gespült hatte, nicht ewig halten würde.
Er sah sein Spiegelbild in einer Glasscheibe und lächelte freundlich, als die Dame am Flugschalter ihn durchwinkte.
»Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Flug nach Miami, M r Lewis.«
Joshua John Lewis war achtzehn Jahre alt und in der Abschlussklasse der Dartmoor High. Auch diesen Pass hatte Max mitgenommen, als er in den Tresorraum eingebrochen war.
Max Gordon hatte aufgehört zu existieren.
10
R iga stand in einem Büro im Canary Wharf. Es lag hoch oben in einem der neuen Bürotürme, die aller Welt zu verkünden schienen, wie ungeheuer modern, wichtig und teuer sie waren. Riga konnten sie nicht beeindrucken.
Er wartete, während der unscheinbar wirkende Mann in ein schnurloses Telefon sprach. Dabei hatte er Riga den Rücken zugekehrt und schien seine Anwesenheit nicht zur Kenntnis zu nehmen. Er hatte schütteres graues Haar, das kaum seinen Schädel bedeckte. Auf seinem zerknitterten Anzug lagen etliche Schuppen. Der Mann erinnerte Riga an seinen ehemaligen Englischlehrer in Finnland. Wenn man ihm auf der Straße begegnete, fiel er einem überhaupt nicht auf. Riga hatte nicht ahnen können, dass dieser nuschelnde Lehrer im Auftrag der Regierung nach vielversprechenden jungen Männern suchte, die dem Staat in blindem Gehorsam dienen würden. Nach jungen Männern, die man zu Kampfmaschinen ausbilden und mit unangenehmen Aufträgen in die Welt hinausschicken konnte.
Und wie jener Lehrer damals verfügte auch dieser Mann hier über enorme Macht. Man sollte einen Menschen nie nach seinem Äußeren beurteilen und sich nie mit einem Fremden anlegen. Riga hatte seine Lektion auf die harte Tour gelernt, und ihm war klar, dass der Mann, der sich jetzt zu ihm umwandte, noch viel mächtigere Leute über sich hatte.
Sein Gegenüber legte das Telefon zurück auf den Tisch und sah Riga mit ausdrucksloser Miene an, die nichts von ihm preisgab. Ein Profi. Er sprach Englisch mit deutschem Akzent. Riga wusste, dass er Schweizer war und dass auf dem Dach ein Helikopter wartete. Nach diesem Gespräch würde er vermutlich in eine andere Stadt in einem anderen Land fliegen. Diese Leute agierten global. Sein Name war Cazamind.
»Gordon ist noch im Land. Unsere Leute haben die Buchungen bei sämtlichen Fluggesellschaften überprüft«, sagte Cazamind.
»Warum sollen wir weiter nach ihm suchen? Das ist doch Zeitverschwendung«,
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