Blood Sun
Gewässern. Die Yanquis zahlen unseren Leuten viel Geld, damit sie uns jagen. Alle jagen uns.«
Max pulte sich ein Stückchen Wurst aus den Zähnen. Wenn sie von Patrouillenbooten der Regierung aufgespürt wurden, würde man ihn abschieben. Dann würde er niemals in den Regenwald kommen und herausfinden, was mit seiner Mutter geschehen war. Das musste Max verhindern, doch an Flucht war zurzeit nicht zu denken. Selbst wenn sie in Sichtweite einer Küste kämen, konnte er nicht einfach von Bord springen, nicht bei dem Tempo, mit dem das Boot fuh r – das war genauso lebensmüde, wie aus einem rasenden Auto zu springen.
Er musste durchhalten, bis sie an Land gegangen waren, und sich dann irgendwie davonschleichen. Das war die beste Möglichkeit.
Aber wie sollte er sich dann zurechtfinden? Das würde sich erst noch zeigen müssen.
Einer von Alejandros Leuten wuchtete einen eingeschweißten Sechserpack Wasserflaschen an Bord. Er schlitzte die Folie mit seinem Messer auf und verteilte die Flaschen. Alle tranken gierig. Um sich vom Meersalz zu befreien, das die Gischt ihm ins Gesicht und die Haare gespritzt hatte, goss Max sich den Rest seiner Wasserflasche über den Kopf. Mit vollem Magen und von der Sonne gewärmt fühlte er sich jetzt eher in der Lage, mit allem fertig zu werden, was in den nächsten Stunden auf ihn zukommen mochte.
Der Mann, der die Folie von den Flaschen gerissen hatte, warf sie nun in das Meer. Ohne nachzudenken, schrie Max ihn an: »Hey! Lass das!«
Der Motor verstummte, das Wasser plätscherte und der Wind blies Max wie eine Warnung um die Ohren. Mehr war nicht zu hören, als die Männer ihn ungläubig anstarrten.
»Delfine und Schildkröten sterben, wenn sie Plastik fressen«, stammelte er. Im Stillen schalt er sich selbst. Großes Maul, kleines Gehirn. Wie konnte er nur einen Mann anschnauzen, der so aussah, als könnte er ihn mit bloßen Händen in Stücke reißen? Doch keiner ging auf ihn los, alle warteten auf Alejandros Reaktion.
»Er hat Recht, Carlos. Der Junge hat Recht. Du benimmst dich wie ein Bauerntrampel«, sagte Xaviers Bruder schließlich.
» Sí «, erwiderte der Mann kleinlaut.
»Nur weil du ein Stück Plastik wegwirfst, muss ein Fisch sterben?«
Der Mann zuckte mit den Schultern.
Alejandro trat den Deckel einer Kiste auf, die mit Handgranaten, Munition und kleinen Maschinenpistolen vollgestopft war. Er nahm eine Handgranate heraus und prüfte ihr Gewicht wie ein Tennisspieler den Ball vor dem Aufschlag. Max kam das Essen wieder hoch. Er schluckte heftig. Mit Xaviers Bruder sollte man sich besser nicht anlegen.
Der Blick des Anführers war eiskalt. Er zog den Sicherungsstift der Granate und schleuderte sie ins Wasser. Alle duckten sic h – nur Alejandro nicht.
Ein gedämpfter Knall ertönte. Eine Wasserfontäne schoss in die Luft und das Boot geriet ins Wanken. Max sah zwanzig oder mehr Fische an die Oberfläche treiben.
»Ich bin ein guter Mann. Meine Gegner sterben einen schnellen Tod. Meinst du, mich kümmern die Fische im Ozean?«, fragte Alejandro, der mit seinen Drogengeschäften dazu beitrug, dass Tausende Menschenleben zerstört wurden. Seine Komplizen lachten. Max wagte nicht, ihm in die Augen zu sehen. Den Mann durfte man nicht reizen. Max wollte schließlich nicht mit einer Granate um den Hals den Fischen zum Fraß vorgeworfen werden.
Alejandro rief den Männern etwas auf Spanisch zu. Offenbar das Kommando, die Treibstoffschläuche einzuholen. Kaum waren die Taue gelöst, heulte der Motor auf. Das Boot raste mit einer solchen Geschwindigkeit los, dass Max in seinen Sitz zurückgeschleudert wurde. Er bemerkte Xaviers besorgte Miene. Der Junge legte einen Finger an die Lippen und schüttelte den Kopf. Die Botschaft war klar: Leg dich bloß nicht mit meinem Bruder an!
Cazamind war ein sehr einflussreicher Mann und konnte stets auf die Unterstützung namhafter Regierungsmitglieder und mächtiger Industrieller bauen. Die Polizei von Miami stand eher am unteren Ende der Machtskala, aber Cazamind war durch seine Beziehungen auch an diese Leute herangekommen. Die Meldung, dass Max Gordon mit Drogenschmugglern zu tun hatte, wurde von einem Bericht des Geheimdienstes bestätigt. Es gab sogar noch weitere Informationen. Alejandro Escobodo García, ein bekannter Dealer, war in der vergangenen Nacht in Miami gewesen. Jemand hatte Kontakt mit der Drogenpolizei aufgenommen und ihr ein Geschäft vorgeschlagen: Straffreiheit für Alejandro im Austausch gegen
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