Blood Sun
Dunkelheit suchten, wiederkamen. Dann wurde das unverkennbare Geräusch des Hubschraubers lauter.
»Xavier! Die sind zurückgekommen!«
Sie saßen in der Falle. Ein paar Meter weiter in der Höhle war das Wasser schwarz, zudem wurde die Decke immer niedriger. Dort würden sie nicht mehr auf dem Floß sitzen können.
»Wir müssen das Floß so weit reinziehen, wie es geht. Steig ins Wasser! Mach schon!«
Xavier schüttelte den Kopf. Vor dem Wasser hatte er ohnehin Angst, aber bei der Vorstellung, in diese schwarze Brühe steigen zu müssen, packte ihn das Grauen.
»Runter mit dir!«, schrie Max.
Der Hubschrauber schwebte nur zehn Meter vom Höhleneingang entfernt in der Luft und machte einen Höllenlärm. Dann drang das Licht eines Suchscheinwerfers in ihr Versteck.
Riga ging auf den Hubschrauberkufen in die Hocke, als der Pilot den starken Scheinwerferstrahl auf den dunklen Spalt lenkte.
»Tiefer!«, rief Riga.
»Das ist zu gefährlich. Wenn unter der Wasseroberfläche verfaulte Bäume oder Felsen liegen, verfangen wir uns womöglich darin.«
»Mach’s trotzdem«, sagte Riga ruhig.
Der Pilot ließ den Hubschrauber so weit herab, dass Riga mit den Beinen ins Wasser tauchte. Jetzt konnte sich der Killer nach vorn beugen und in die Höhle hineinspähen. Falls die Jungs da drin waren, würde er sie sehen.
Der Lärm war mörderisch. Xavier presste die Hände auf die Ohren und schrie auf, als der Fledermausschwarm in Panik floh und ihm dabei über den Kopf, Hals und Rücken strich.
Max packte Xavier, riss ihn ins Wasser und drückte eine Hand des Jungen auf das Floß. »Du musst treten! Wir müssen tiefer rein!«
Erschrocken und ängstlich begann Xavier nun ebenfalls mit den Beinen zu strampeln. Die mit Wasser vollgesogenen Schuhe und Hosen erschwerten das Vorankommen.
Das Scheinwerferlicht folgte ihnen wie der Blick eines Ungeheuers, aber Max und Xavier hatten es geschafft, sich in die äußerste Ecke zu drängen. Ihre Köpfe ragten nur knapp übers Wasser. Xavier keuchte. Max konnte kaum die Augen offen halten. Er klammerte sich mit einer Hand am Floß fest, streckte seinen verletzten Arm aus, fasste Xavier am Rücken seines T-Shirts und hielt ihn oben.
»Festhalten!«, rief Max, doch seine Stimme ging im Dröhnen der Rotoren unter.
Riga sah, wie ein Fledermausschwarm durch den Spalt nach draußen flog. Er verharrte noch zwei Minuten in gebeugter Haltung, aber ihm war klar, dass der Pilot Mühe hatte, den Hubschrauber unter Kontrolle zu halten. Die Strömung übte Druck auf die Kufen au s – vielleicht strapazierten sie ihr Glück zu sehr. Er wollte nicht, dass die Maschine in den Fluss gezogen wurde. Unter dem Felsen waren mit Sicherheit bloß Fledermäuse, weiter nichts.
»Okay, wir gehen wieder rauf«, sagte er.
Der Pilot lenkte den Hubschrauber sacht vom Wasser weg und wünschte sich, er müsste nicht für diesen Killer arbeiten.
Die Stille war ein genauso großer Schock wie der unerträgliche Krach. Eine Weile hallte der Lärm noch in ihren Ohren nach, doch dann lösten sich Max und Xavier aus ihrer Starre. Max schob das Floß vorwärts und hielt dabei Xavier am T-Shirt fest, bis sie über sich wieder so viel Platz hatten, dass sie an Bord klettern konnten.
»Ha! Wir haben’s geschafft«, sagte Max fröhlich, obwohl die Entzündung in der Schulter schrecklich wehtat.
Xavier nickte erschöpft. »Wer war das?«
»Keine Ahnung. Ein Suchtrupp. Vielleicht waren die von der Küstenwache. Vielleicht aber auch nicht.«
»Wer sollte es denn sonst sein?«, fragte Xavier.
Max wollte gar nicht daran denken, dass es womöglich die Leute waren, die ihn bereits in England verfolgt hatten. Woher sollten die wissen, dass er hier war, an diesem Fluss, in dieser Höhle? Das war doch völlig unmöglich.
»Wir warten noch ein paar Minuten, dann hauen wir ab«, sagte Max.
»Aber bis dahin kommen die Fledermäuse zurück.«
»Wir sind ja auch in ihr Zuhause eingedrungen. Wie würdest du dich fühlen, wenn nachts irgendwelche Monster in dein Zimmer stürmten und dich aus dem Schlaf rissen? Da würdest du genauso schreiend rausrennen.«
»Ja, Amigo , aber wenn ich schlafe, hänge ich nicht von meinem Bett runter. Lass uns lieber jetzt verschwinden!«
Wie ein Türhüter versperrte ihnen die Strömung des Flusses den Weg ins Freie. Max hatte größte Schwierigkeiten, das Floß zur Höhlenöffnung zu steuern. Wenn sie erst einmal draußen waren, bestand die Gefahr, dass sie in eine Stromschnelle gerieten und an
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