Blood Sun
Felsbrocken geschleudert wurden, an denen ihr Floß zerschellen würde. Sollten sie es nicht mit einem kräftigen Stoß schaffen, gleich ins tiefere, langsam dahinfließende Wasser zu kommen, wären sie schon bald erledigt.
»Dreh dich mal auf den Rücken«, sagte er zu Xavier. »Dann kannst du die Füße gegen die Decke stemmen und uns rausdrücken. Ich schiebe von hier aus. Wenn wir an der Strömung sind, musst du schnell hochspringen und uns mit dem Ast weiterschieben. Ich klettere rauf, sobald ich kann. Alles klar?«
Xavier nickte. Es störte ihn nicht, dass Max ihm Anweisungen gab, da er jegliche Verantwortung scheute.
»Eins, zwei, dre i – los!«, rief Max. Xavier drückte mit den Füßen gegen die Höhlendecke und brachte das Floß in Fahrt.
Sie waren draußen. Max spürte den Zug der Strömung. Er war jetzt an der Rückseite des Floßes und konnte auf einmal nicht mehr schieben, sondern wurde gezogen. Er rutschte mit den Händen ab, das Holz war zu glitschig. Er krallte die Finger unter die Blattschnur, die das Floß zusammenhielt, und wollte seinen Körper als Ruder zum Steuern des Floßes benutzen. Xavier tat, was er konnte, aber Max merkte, dass der Junge es nicht schaffen würde, das Floß an eine ruhigere Stelle des Flusses zu manövrieren. Die Strömung drückte Max von hinten an das Floß hera n – und das konnte er zum Raufklettern nutzen.
»Alles klar bei dir?«, sagte er keuchend.
»Ja.« Xavier war froh, dass er das Lenken nun wieder Max überlassen konnte. Er schob ihm den Ast hin.
»War toll, hast du gut gemacht.«
Xavier grinste. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal für etwas gelobt worden war. »Ja, ich bin ganz gut, was?«
»Du bist super. Du hast uns gerettet.«
Der Junge stand lächelnd auf dem schwankenden Floß und sah mächtig stolz aus. Max wusste, wie wichtig Lob war, wenn man in einer schwierigen Lage steckte.
»Kannst du mir jetzt helfen, das Floß im Gleichgewicht zu halten? Die Strömung wird stärker, wir müssen aufpassen. Wenn ich zum Staken auf die eine Seite gehe, stellst du dich auf die andere, ja?«
»Du, die Schutzengel und ich, wir sind ein tolles Team. Sí ?«
»Das beste«, sagte Max.
Während Max das Floß in die ruhigere Mitte des Flusses steuerte, hielt Xavier sich genau an die Anweisungen. Zum ersten Mal seit langer Zeit war er nicht bloß ein Passagier.
Riga flog noch eine Stunde lang weiter. Von dem Jungen war nichts zu sehen. Es gab gut ein Dutzend kleine Seitenflüsse und Abzweigungen, die wie Adern in den Dschungel hineinführten. Vielleicht war Max schon so weit gekommen und an einer dieser Stellen abgebogen. Wenn das der Fall war, würden sie noch ein paar Tage nach ihm suchen müssen, und da diese schmalen Nebenflüsse viele Versteckmöglichkeiten boten, wäre er dort noch schwerer zu finden. Riga brauchte mehr Leute und einen zweiten Hubschrauber. Er wollte beides bei Anbruch der Dämmerung anfordern.
»Such mal eine Sandbank oder irgendwas, wo wir landen können.«
Darauf hatte der Pilot gar keine Lust. »Das Wetter schlägt um«, sagte er in der Hoffnung, Riga dadurch umstimmen zu können.
Riga blickte prüfend in den Himmel. Der Wind war schon deutlich stärker geworden und er konnte das Meersalz in der Luft riechen. »Ich weiß. Wir bleiben, solange es geht. Der Junge muss hier irgendwo sein.«
»Glauben Sie, Sie haben ihn übersehen?«
»Der hat was drau f – und vielleicht auch Glück. Also, wir warten bis morgen Früh, falls das Wetter es zulässt.«
Der Pilot nickte. Riga widersprach man besser nicht. Sie hatten ja Notfallrationen an Bord. Es würde sicher eine lange Nacht werden, aber sie konnten die Kabine schließen und die Moskitos draußen halten. Ihnen würde es zumindest besser gehen als diesem Jungen. Das Wetter machte ihm allerdings Sorgen. Er hatte selbst schon gesehen, was passierte, wenn gefährliche Wetterfronten die Küste erreichte n – und dieser Riga war nicht von hier. Vielleicht glaubte er, man könnte alles aussitzen. Da täuschte er sich.
»Bei einem Sturm könnte es heikel werden«, sagte der Pilot. »Wenn’s hart auf hart kommt, müssen wir von jetzt auf gleich fliehen.«
»Das ist mir egal«, sagte Riga. Er wollte so lange an seiner Fährte dranbleiben wie möglich.
Im Stillen dachte der Pilot: Hoffentlich lässt mich dieser Verrückte weiterfliegen, bevor das Unwetter über uns hereinbricht. Er zog den Hubschrauber über die Bäume und machte sich auf die Suche nach einem
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