Blood Sun
– geschafft hat es keiner von denen. Es gibt nur sehr wenige Zugänge. Ich bin einmal dicht dran gewesen, es waren vielleicht noch zwei Kilometer bis zu dem Reservat. Diese Berge sind wie eine Insel, ich spreche von Tausenden Quadratkilometern. Und ich sag dir noch was: Die Hälfte des Gebiets ist von einer künstlich angelegten Schneise umgeben, da stehen bewaffnete Wachen. Eine Privatarmee. Keine gute Gegend.«
»Ich wette, da drin gibt’s kostbare Pflanzen«, sagte Max.
»Du bist verrückt. Ich geh da nicht hin. Ganz bestimmt nicht.«
»Können Sie mich denn wenigstens in die Nähe bringen? Ich muss herausfinden, was passiert ist. Es muss sein, Flint, verstehen Sie? Nur deshalb bin ich hier. Was glauben Sie, wie lange werden die Männer, die hinter mir her sind, bis hierher brauchen? Wenn die so entschlossen sind, wie ich annehme, werden sie die ganze Gegend absuchen. Und wenn sie mich hier finden, sind Sie und Ihre Leute in großer Gefahr. Doch ohne Sie breche ich bestimmt nicht auf.«
Flint schwieg eine Weile, schüttelte den Kopf, seufzte und fügte sich schließlich ins Unvermeidliche. »Es gibt vielleicht einen Weg. Die Höhle der Steinschlange. Von den Einheimischen würde sich niemand dorthin wagen.«
Flint stand auf und nahm eine Figur von der Wand. Es war ein Skelett mit Hautresten. Schwarze Flecken deuteten wohl die Verwesung an.
Max zeigte auf die Halskette der Figur. »Was ist das?«
Flint reichte sie ihm. »Das sind Glöckchen. Sie sollen die Menschen vor seinem Erscheinen warnen. Die Höhle ist der Wohnort von Ah Puch .«
»Wer ist Ah Puch? «
»Der Todesgott der Maya.«
19
M ax saß bei Xavier, der immer noch in dem Käfig eingesperrt war. Er reichte ihm die Zigarette durch die Stäbe und Xavier griff nach ihr wie ein Durstiger nach einer Flasche Wasser.
Er roch daran, murmelte etwas auf Spanisch und sagte: »Du bist ein guter Freund, Max Gordon. Und du wärst wie ein Familienmitglied für mich, wenn du sie mir auch noch anzünden könntest.«
Max hielt ein Streichholz hoch. Er strich damit über ein Stück Bambus und hielt dem Jungen die Flamme hin. Xavier sog den Rauch in die Lunge, hustete und lehnte sich an die Stäbe.
»Du kannst mein Cousin sein«, sagte er lächelnd. »Ein Cousin ersten Grades.«
Max wandte ihm den Rücken zu, damit er nicht den Rauch einatmen musste, der wie bei einem Drachen aus Xaviers Nase quoll. »Flint will mich fortbringen. Er weiß, dass die Leute, die nach mir gesucht haben, früher oder später hier auftauchen werden. Deshalb muss ich so schnell wie möglich weg. Ich weiß bloß nicht, wie weit du mitkommen möchtest.«
»Ich begleite dich so lange, wie du willst. Vielleicht kann ich dir helfen, wenn wir in eine Stadt kommen. Die Leute kennen mich. Und ich kenne die Leute.«
Max beobachtete, wie Flint mit einem der Männer sprach. Er zeigte auf das ventilatorbetriebene Schnellboot, aber der Mann schüttelte den Kopf. Er wollte offenbar nicht zu der berüchtigten Höhle fahren.
»Hör zu, Xavier. Ich gehe nicht in irgendwelche Städte oder Dörfer. Ich will in die Berge. Ich muss herauskriegen, was mit meiner Mum passiert ist, die dort gestorben ist. Deshalb bin ich überhaupt hier.«
Xavier blickte ihn traurig an und nickte schließlich. »Okay. Dann begleite ich dich eben in die Berge.«
»Überleg’s dir gut.«
»Da gibt’s nichts zu überlegen, Chico .«
»Ich gehe in die Höhle der Steinschlange.«
Xavier musste schlucken. Er streckte die Hände durch die Stäbe und packte Max am Arm. » Amigo , das ist nichts für mich. Ich habe schreckliche Dinge über die Höhle gehört, Mann. Da drin ist eine Schlange. Sie ist größer als ein Fluss. Die verschlingt dich komplet t – und das ist kein schöner Tod.«
»Das ist doch bloß eine Legende. Eine Geschichte, um Menschen von der Höhle fernzuhalten«, sagte Max, war sich dessen aber nicht so sicher.
»Bei mir wirkt die Geschichte jedenfalls. Ich kann dir noch nicht sagen, ob ich mitkomme.«
Max würde allein hineingehen, das war ihm klar. Es war vielleicht auch besser so. Einzelne Puzzleteile fügten sich jetzt zusammen. Er konnte sich zum Beispiel wieder an den Namen Zaragon erinnern. Als er in London Angelo Farentino in seinem Büro besucht hatte, war ihm ein Schild am Nachbargebäude aufgefallen, auf dem dieser Firmenname stand.
Farentino, einst ein einflussreicher Unterstützer von Umweltschützern, die an vorderster Front tätig waren, hatte seine Seele an eine mysteriöse
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