Bloodlines: Die goldene Lilie (German Edition)
später, nach meiner Rückkehr in die Amberwood, viel Stoff zum Nachdenken.
Ein Gutes hatte Adrians Betrunkenheit ja, und das war die Tatsache, dass Jill unser Gespräch nicht hatte mithören können. Also konnte ich am nächsten Tag beim Mittagessen, als ich Jill, Eddie und Angeline über die Ereignisse Bericht erstattete, die Geschichte etwas frisieren und meinen eigenen Zusammenbruch auslassen. Jills und Angelines Reaktionen fielen ungefähr so aus, wie ich es erwartet hatte. Jill machte sich Sorgen und fragte immer wieder, ob Sonya und ich okay seien. Angeline bedachte uns mit Geschichten über all das, was sie mit den Angreifern angestellt hätte, und sagte, dass sie im Gegensatz zu Dimitri die Männer durch die Straßen gejagt haben würde. Eddie war still und sprach nicht viel, bis die beiden anderen gegangen waren, Angeline zurück auf ihr Zimmer und Jill, um sich für den Unterricht fertig zu machen.
»Ich habe mir schon gedacht, dass heute was nicht mit dir stimmt«, bemerkte er. »Vor allem beim Frühstück, als Angeline eine Tomate als Obst bezeichnet hat und du sie nicht korrigiert hast.«
Ich brachte ein schwaches Lächeln über seinen Scherz zustande. »Ja. So was geht einem nicht mehr aus dem Kopf. Ich meine, bei euch ist das vielleicht was anderes. Zufällige Schwertattacken in dunklen Gassen sind ganz normal für dich, oder?«
Er schüttelte den Kopf, das Gesicht war ernst. »Du kannst nicht mit jedem Überfall spielend leicht fertig werden. Leute, die das glauben, werden nur unvorsichtig. Du hast keinen Grund für ein schlechtes Gewissen.«
Ich hatte bisher in einem Kartoffelpüree herumgerührt, das etwas zweifelhaft aussah, und gab es nun endlich auf. »Ich bin nicht gern unvorbereitet. Auf nichts. Versteh mich nicht falsch – ich war doch schon bei deinem und Roses Kampf gegen die Strigoi dabei. Damals war ich auch hilflos … aber das ist etwas anderes. Sie sind überlebensgroß … jenseits allen menschlichen Maßstabs. Ich erwarte wirklich nicht, gegen sie kämpfen zu können. Aber was gestern Nacht passiert ist – selbst mit dem Schwert – , das war nur einen Schritt entfernt von einem Raubüberfall. Profan. Und es waren Menschen, so wie ich. Ich hätte nicht so unfähig sein sollen.«
»Soll ich dir ein paar Kniffe beibringen?«, fragte er freundlich.
Da musste ich lächeln. »Was du tust, ist ebenfalls überlebensgroß. Vielleicht bin ich besser beraten, etwas zu tun, das meinem Niveau ein wenig mehr entspricht. Adrian sagte schon, ich solle mir eine Pistole zulegen oder einen Kurs in Selbstverteidigung machen.«
»Ein guter Rat.«
»Ich weiß. Beängstigend, hm? Die Alchemisten trainieren an der Waffe, aber ich bin kein Fan davon. Ich bin jedoch ziemlich gut im Unterricht und in Theorie.«
Er kicherte. »Wie wahr. Also, wenn du deine Meinung änderst, lass es mich wissen. Nach der Arbeit mit Angeline bin ich auf alles vorbereitet. Obwohl … um fair zu sein, sie hat sich etwas zurückgehalten.«
Ich dachte an mein letztes richtiges Gespräch mit ihr zurück. Ihre Schlägerei und die Suspendierung waren erst gestern passiert, aber es fühlte sich an, als seien inzwischen Jahre vergangen. »Oh. Ich hatte so eine Art Gespräch mit ihr.«
»Was für eine Art Gespräch?«, fragte er überrascht nach. »Ich habe dir gesagt, du sollst dich nicht um mein Privatleben kümmern. Es ist mein Problem.«
»Ich weiß, ich weiß. Aber es ist einfach irgendwie passiert. Ich habe ihr gesagt, dass ihr Verhalten ziemlich daneben sei und dass sie damit aufhören müsse. Sie war dann ziemlich wütend auf mich, also bin ich mir nicht sicher, ob es zu ihr durchgedrungen ist.«
»Hm. Anscheinend ist es durchaus zu ihr durchgedrungen.« Die nächsten Worte waren offenbar ein großes Eingeständnis. »Vielleicht ist sie doch nicht so übel, wie ich dachte.«
»Vielleicht«, stimmte ich zu. »Und betrachte es mal so: Ihre Suspendierung bedeutet, dass du dir zumindest beim Ball keine Sorgen um sie machen musst.«
Sein Gesicht leuchtete auf, also war ihm das noch nicht bewusst geworden. Einige Sekunden später zeigte er wieder Härte. »Wenn es weiter zu solchen Überfällen kommt, werde ich wegen Jill zusätzliche Vorsicht walten lassen müssen – vor allem beim Ball.« Ich hatte nicht gedacht, dass Eddie in irgendeiner Hinsicht noch vorsichtiger sein könnte, aber wahrscheinlich würde er schnell beweisen, dass ich da falschlag. »Irgendwie wünsche ich mir, dass Angeline hingeht.«
Die meisten
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