Bloodlines: Die goldene Lilie (German Edition)
Schuld.«
Adrian wurde bleich – noch bleicher als gewöhnlich – und wirkte zu schockiert, um eine Antwort auch nur zu versuchen. Er griff wieder nach seinem Martini, und ich war mir beinahe sicher, dass seine Hände zitterten. Ungefähr in diesem Moment tauchten die beiden Kellner aus dem Restaurant oben mit unserem Essen auf. Schweigend sahen wir zu, wie sie unser Platzgedeck vor uns hinstellten und die Teller mit den Speisen kunstvoll arrangierten. Der Anblick all dieses Essens verursachte mir eine Übelkeit, die nichts mit dem Öl oder dem Salzgehalt zu tun hatte.
»Mr Ivashkov«, begann ich, obwohl die Stimme der Vernunft in meinem Kopf mir zuschrie, ich solle lieber den Mund halten. »Es ist unfair, Adrian die Schuld an den Entscheidungen seiner Mutter zu geben, vor allem, da er nicht einmal begreifen konnte, was sie getan hat. Ich weiß, er würde alles für sie tun. Wenn er sie daran hätte hindern – oder ihren Platz einnehmen – können, er hätte es getan.«
»Da sind Sie sich sicher, hm?« Nathan häufte Essen auf seinen Teller und schien sich richtig darauf zu freuen. Weder Adrian noch ich hatten Appetit. »Nun, Ms Sage, es tut mir leid, Ihre Illusionen zerstören zu müssen, aber mir scheint, dass mein Sohn Sie – wie so manche andere junge Frau – mit seinem Geschwätz um den Finger gewickelt hat. Ich kann Ihnen versichern, er hat nie etwas getan, das nicht zuerst seinen eigenen Interessen diente. Er hat keine Initiative, keinen Ehrgeiz, etwas bis zum Ende durchzuziehen. Von klein auf hat er ständig Regeln gebrochen und nie darauf gehört, was andere zu sagen hatten, wenn es seinen Zwecken nicht dienlich war. Ich bin wirklich nicht sehr überrascht, dass seine College-Versuche gescheitert sind – und ich versichere Ihnen, dieser wird ebenfalls scheitern – , weil er kaum die Highschool geschafft hat. Es ging nicht einmal um den Alkohol, die Mädchen und all die verrückten Dinge, die er getan hat … es war ihm einfach egal. Seine Arbeit war ihm egal. Nur dank unseres Einflusses und unseres Scheckbuchs hat er seinen Abschluss bekommen. Seither ist es eine ständige Abwärtsspirale gewesen.«
Adrian machte ein Gesicht, als sei er geohrfeigt worden. Ich wollte ihn trösten, stand aber noch immer unter dem Schock von Nathans Worten, ebenso wie Adrian. Es war die eine Sache, darüber zu sprechen, dass der eigene Vater von einem enttäuscht war. Etwas ganz anderes aber war es, es von seinem Vater ganz genau vorgerechnet zu bekommen. Ich wusste es, weil ich mich schon in beiden Situationen befunden hatte.
»Ehrlich, ich habe gar nicht so viel gegen das Trinken, solange es ihn umhaut und still hält«, fuhr Nathan fort, den Mund voller Ziegenkäse. »Sie glauben, seine Mutter leidet jetzt? Ich versichere Ihnen, sie ist erheblich besser dran. Zahllose Nächte hat sie dagesessen und Tränen darüber vergossen, was er nun wieder angestellt hat. Wenn ich ihn jetzt von ihr fernhalte, geht es nicht um ihn oder um mich. Ich tue es für sie. Zumindest im Augenblick muss sie nichts von seinen letzten Mätzchen hören oder sich um ihn Sorgen machen. Unwissenheit ist ein Segen. Es geht ihr besser, wenn sie keinen Kontakt zu ihm hat, und ich habe die Absicht, dafür zu sorgen, dass es so bleibt.« Er bot mir die Muscheln an, als hätte er nicht gerade eben und ohne Luft zu holen ein vernichtendes Urteil gesprochen. »Sie sollten wirklich davon kosten. Protein ist gut für Sie, wissen Sie.«
Ich schüttelte den Kopf, außerstande, Worte zu finden.
Adrian holte tief Luft. »Wirklich, Dad? Ich bin den ganzen Weg hergekommen, um dich zu sehen, um dich zu bitten, dass du mir eine Möglichkeit verschaffst, mich mit ihr in Verbindung zu setzen … und das ist alles, was ich bekomme? Dass es besser für sie ist, wenn sie nicht mit mir redet?« Als ich ihn ansah, hatte ich das Gefühl, dass er sehr hart darum rang, ruhig und vernünftig zu bleiben. Es würde ihm nicht weiterhelfen, wenn er jetzt seine typischen sarkastischen Bemerkungen machte, und er wusste es.
Nathan wirkte verblüfft. »Ist das wirklich der einzige Grund, warum du hierhergekommen bist?« Sein Tonfall stellte klar, dass er ihn für töricht hielt.
Adrian biss sich auf die Unterlippe, und wahrscheinlich hielt er wieder einmal seine wahren Gefühle im Zaum. Seine Selbstbeherrschung beeindruckte mich. »Ich dachte außerdem … na ja, dass es dich vielleicht interessieren würde zu hören, wie es mir geht. Ich dachte, vielleicht würde es dich
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