Bloodlines - Mead, R: Bloodlines - Bloodlines
unnatürliche Verlangen, das ihre Existenz nährte. Ein furchtbarer Gedanke schoss mir durch den Kopf und verschwand genauso schnell, wie er gekommen war. Erwartet man von mir, dass ich ihr mein eigenes Blut zu trinken gebe? Nein. Das war lächerlich. Das war eine Grenze, die Alchemisten niemals überschreiten würden. Ich schluckte und versuchte, meinen kurzen Augenblick der Panik zu verbergen. »Wie planen Sie denn, sie zu ernähren?«
Stanton nickte Keith zu. »Würden Sie das bitte erklären?« Ich glaube, damit gab sie ihm eine Chance, sich wichtig vorzukommen, um seine frühere Niederlage wettzumachen. Er stürzte sich darauf.
»In Palm Springs lebt unseres Wissens nach nur ein einziger Moroi«, begann Keith. Während er sprach, bemerkte ich, dass sein zerzaustes, blondes Haar tatsächlich von Gel fast überquoll. Das Gel verlieh diesem Haar einen schleimigen Schimmer, den ich nicht im Mindesten attraktiv fand. Außerdem vertraute ich keinem Mann, der mehr Stylingprodukte benutzte als ich selbst. »Und wenn Sie mich fragen, so ist er verrückt. Aber er ist harmlos verrückt – insoweit, als sie überhaupt harmlos sein können. Er ist ein alter Einsiedler, der draußen vor der Stadt lebt. Er will mit der Regierung der Moroi nichts zu schaffen haben, also wird er niemandem erzählen, dass ihr dort seid. Das Wichtigste ist aber, dass er einen Spender hat, den er bereit ist zu teilen.«
Ich runzelte die Stirn. »Wollen wir wirklich, dass Jill mit einem regierungsfeindlichen Moroi zusammen ist? Der ganze Sinn der Sache ist doch der, die Moroi stabil zu halten. Wenn wir sie einem Rebellen vorstellen, woher wissen wir dann, dass er nicht versuchen wird, sie zu benutzen?«
»Das ist ein exzellenter Einwand«, erwiderte Michaelson und wirkte überrascht, dies eingestehen zu müssen.
Ich hatte gar nicht vorgehabt, Keith’ Standpunkt zu schwächen. Mein Verstand war einfach auf die typische Weise in die Zukunft gesprungen, hatte ein potenzielles Problem entdeckt und darauf hingewiesen. Nach dem Blick zu urteilen, mit dem er mich bedachte, war es jedoch so, als versuche ich bewusst, seine Erklärung in Misskredit zu bringen und ihn schlecht aussehen zu lassen.
»Wir werden ihm natürlich nicht sagen, wer sie ist«, sagte er mit einem wütenden Glitzern in seinem gesunden Auge. »Das wäre töricht. Und er gehört keiner Fraktion an. Er gehört nirgendwo hin. Der Mann ist davon überzeugt, dass ihn die Moroi und ihre Wächter im Stich gelassen haben, also will er nichts mit ihnen zu tun haben. Ich habe ihm erzählt, dass Jills Familie die gleichen Vorbehalte habe, daher hat er Verständnis für sie.«
»Sie haben recht damit, auf der Hut zu sein, Sydney«, warf Stanton ein. In ihren Augen stand ein anerkennender Ausdruck, als freue sie sich darüber, mich verteidigt zu haben. Diese Anerkennung bedeutete mir in Anbetracht dessen, wie grimmig sie oft erschien, sehr viel. »Wir dürfen bei den Moroi nie etwas für gegeben halten. Obwohl wir diesen Moroi außerdem von Abe Mazur haben überprüfen lassen, der auch zu der Ansicht neigt, dass er vollkommen harmlos ist.«
»Abe Mazur?«, spottete Michaelson und kratzte sich den ergrauenden Bart. »Ja. Der ist bestimmt ein Experte, wenn es zu entscheiden gilt, wer harmlos ist oder nicht.«
Mein Herz tat einen Satz bei dem Namen, aber ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. Keine Reaktion, keine Reaktion, befahl ich meinem Gesicht. Nach einem tiefen Atemzug fragte ich sehr, sehr vorsichtig: »Ist Abe Mazur der Moroi, der Jill begleiten wird? Ich bin ihm schon früher begegnet … Aber Sie hatten doch gesagt, ein Ivashkov würde mit ihr gehen.« Wenn sich Abe Mazur in Palm Springs aufhielt, würde das allerdings alles auf eine bedeutsame Weise verändern.
Michaelson lachte höhnisch. »Nein, wir würden Sie niemals mit Abe Mazur irgendwo hinschicken. Er hilft lediglich bei der Organisation dieses Plans.«
»Was ist so schlimm an Abe Mazur?«, erkundigte sich Keith. »Ich weiß nicht, wer er ist.«
Ich beobachtete Keith ganz genau, während er sprach, und hielt nach einem Anzeichen von Täuschung Ausschau. Aber nein. Sein Gesicht war vollkommen unschuldig und verriet offene Neugier. Seine blauen Augen – oder vielmehr das eine Auge – zeigten einen seltenen Ausdruck von Verwirrung, im Gegensatz zu seiner üblichen besserwisserischen Arroganz. Abes Name sagte ihm nichts. Ich stieß den Atem aus, von dem ich gar nicht bemerkt hatte, dass ich ihn zuvor angehalten
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