Bloodman
in ihrem Magen nachgesehen?«, fragte Jake.
Stille entstand am anderen Ende der Leitung, während Dr. Reagan vernehmlich schluckte. »Da war sie nicht, obwohl ich auch nicht damit gerechnet hätte.« In ihre Stimme hatte sich Misstrauen geschlichen, wie immer, wenn sie früher oder später begriffen, wie gut er diese Monster verstand. »Mit dieser Art von Morden haben Sie mehr Erfahrung als ich â wie lautet Ihre Interpretation?«
Jake ging die endlose Parade der Mörder durch, die er zur Strecke gebracht hatte. Normalerweise war der Auslöser eine freudsche Reaktion, passend zurechtgebogen von einem psychisch kranken Verstand. Das Paradebeispiel dafür war Edmund Kemper. Er hatte sechs Frauen ermordet, bevor er den Mut aufbrachte, die eine zu töten, hinter der er wirklich her war. Um diese Menschen zu verstehen, musste man lediglich den richtigen Schlüssel finden. Und normalerweise war das ziemlich einfach. Er sagte das Erste, was ihm in den Sinn kam. »Er sah sie als Verräterin.«
»Warum?«
Sein Gespräch mit Hauser am Nachmittag kam ihm wieder in den Sinn. »Sie hat mir geholfen. Sie hat meinem Vater â¦Â« Die Worte blieben ihm im Hals stecken, als ein Bild von Emily Mitchell mit ihrer leuchtenden gelben Haarspange vor seinem geistigen Auge aufblitzte. »Mein Gott.«
Jake knallte den Hörer hin und warf sich den geliehenen Polizeiponcho über. Er rannte durch den Gang zum Seitenausgang und brüllte Scopes zu: »Rufen Sie Hauser an! Sagen Sie ihm, er soll zu den Mitchells kommen. Sofort!«
Er stürmte durch die Seitentür hinaus in das wirbelnde Kreischen des Sturms, der ohne Eile, nach und nach, alles zerlegte, was noch übrig war.
65
Der Humvee zog dicke Wasserschleppen hinter sich her, während er durch die verlassenen StraÃen von Southampton raste. Er teilte die Fluten, dass selbst das Volk der Israeliten ihm leicht hätte folgen können. Seit er das Revier verlassen hatte, hatte Jake zwei neuentstandene, vom Sturm gespeiste Flüsse durchquert, die mitten durch die Stadt strömten, und beide Male war das Wasser bis über die Motorhaube gestiegen â anscheinend erfüllte Franks Schnorchelvorrichtung ihren Zweck, denn der Motor hatte nicht einmal gestottert. Wenn er nicht gerade Kapitän spielte, donnerte Jake mit Vollgas durch die leere Stadt. Nach einer Weile merkte er, dass er langsamer fahren musste, weil sich Franks benzinschluckendes Monster sonst irgendwann überschlagen hätte und er einsam mitten auf einer der verlassenen StraÃen ertrunken wäre.
Durch die dunklen Stadtviertel zu rasen weckte ein unheimliches, postapokalyptisches Gefühl in ihm. Je weiter er sich vom Büro des Sheriffs entfernte â je tiefer er nach Southampton hineinfuhr â, desto intensiver wurde dieser Eindruck. Die ganze Zeit, während er zum Haus der Mitchells raste, beschäftigte ihn das fragmentierte Porträt, das sein Vater gemalt hatte. War es nur Ausdruck seines kranken Geistes, oder hatte er tatsächlich versucht, ein Porträt des Bloodman zu malen? Jake war sicher, sein Vater hatte gewollt, dass er die gesichtslosen Männer im Atelier entdeckte, um seine Neugier zu wecken, um ihn zum Nachdenken zu bringen. Um ihn dazu zu bringen, richtig hinzusehen.
Aber warum hatte er Jake nicht einfach gesagt, wer der Killer war? Eine Notiz hinterlassen? Einen Brief? Warum dieser Umweg? Ein Rätsel in einem Rätsel in einem Rätsel in einem ⦠Herrgott noch mal, das konnte endlos so weitergehen!
Jake lieà seine mentalen Finger durch die Jahre blättern und versuchte, zwischen den staubverklebten Seiten etwas zu entdecken, was ihm helfen würde, das Verhalten seines Vaters zu verstehen.
Wenn er es nicht begreifen konnte, wer dann? SchlieÃlich war das sein Job â das wusste selbst sein alter Herr. Wenn man eine Nadel im Heuhaufen vergrub, diesen Heuhaufen auf einem ganzen Feld voller Heuhaufen versteckte und dann Jakey mit seiner Wünschelrute im Kopf darauf ansetzte, würde er sie finden, würde das Geheimnis aufklären.
Aber es war nicht nur ein Geheimnis. Nicht mehr. Kein Job, kein Spiel, nicht einmal Besessenheit. Es war eine Notwendigkeit.
Etwas sagte ihm, dass Kay und Jeremy noch am Leben waren. Warum? Weil man ihre Leichen nicht gefunden hatte. Und dieses Arschloch â der Bloodman â lieà gern ein kleines Andenken für seine Fans zurück.
Wenn
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