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Bloodman

Bloodman

Titel: Bloodman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pobi
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altmodisch – wie ein fast ausgestorbener Dialekt –, aber sie hatte ihm in über siebenundzwanzig Jahren bei der Polizei gute Dienste geleistet. Eigentlich hatte er nicht die nötige Zeit dafür, aber er hielt einen fünfzehnminütigen Ausflug in die Geschichte dieses FBI -Beraters für eine lohnende Investition, wenn er ihm schon den Schlüssel zu seinem ›Königreich‹ übergeben sollte.
    Es begann mit den Aufzeichnungen des diensthabenden Beamten. Es waren handschriftliche Notizen – Hauser erkannte die langsame, sorgfältige Schrift eines Mannes, der nicht gut mit dem Wort umgehen konnte und nur deshalb per Hand schrieb, weil es ihm mit der Schreibmaschine (diesem gar nicht so weit entfernten Vorfahren der Computertastatur) noch schwerer fiel. Hauser fühlte Sympathie, weil es ihm genauso erging. Die meisten jüngeren Polizisten waren in die digitale Welt hineingewachsen und hatten keine Probleme mit Computern, aber Hauser verfasste seine Berichte immer noch mit der Hand, und er erkannte die Technikangst, die von den Papieren vor ihm ausging.
    Die sorgfältig gemalte Handschrift war Hauser vertraut, sie stammte von seinem Vorgänger, Sheriff Jack Bishop. Er war ein guter Cop gewesen, die Zuverlässigkeit in Person, wenn man ihn brauchte.
    Hauser wusste auch, dass Bishop drei Tage nach seiner Pensionierung in die Garage gegangen war, sich die Mündung einer 12 er Schrotflinte in den Mund gesteckt und sein Gehirn über das Dachgebälk verteilt hatte. Man sprach nicht darüber, aber jeder kannte den Grund. Die Oldtimer, diejenigen, die alles für den Job aufgegeben hatten – ihre Familien, ihre Träume, ihr Leben –, wussten, dass es, wenn man einmal Dienstmarke und Dienstpistole abgeliefert hatte, nicht mehr viel gab, worauf man sich freuen konnte. Wenn man alles für den Job geopfert hatte, was blieb einem dann noch? Hauser hatte diese Geschichte über mehr Cops gehört, als ihm lieb war. Und ein Teil von ihm fühlte sich überlegen, weil ihm das nicht passieren konnte. Sosehr er den Job auch liebte, seine Frau liebte er mehr, von seiner Tochter ganz zu schweigen. Und es lagen noch viele Jagden und Angelausflüge vor ihm. Vielleicht würde er irgendwo ein Cottage bauen. An einem See in den Bergen, wo man noch gut Hechte angeln konnte und es am Wochenende nicht von Arschlöchern wimmelte, die mehr Geld als Hirn hatten. Vielleicht dort, wo sie den Sommerurlaub verbracht hatten, bevor Erin an die Brown-Universität gegangen war – am Lake Caldasac. Dort gab es noch Cottages direkt am Ufer für dreißig Riesen. Und die Hechte waren echte Monster.
    Die Akte wirkte unberührt, nicht so, wie man es bei einem Mordfall eigentlich erwarten durfte. Tötungsdelikte waren hier eher selten, aber ein paar gab es doch pro Jahr. Meistens, wenn Schlägereien zwischen Betrunkenen ausarteten oder häusliche Auseinandersetzungen nach zu viel Geschrei und zu wenig Gesprächen explodierten. Oft endete es damit, dass jemand mit überraschtem Gesichtsausdruck auf Dr. Reagans Autopsietisch lag.
    Aber das hier war der Stoff für Legenden. Hauser hatte gehört, dass es im Leben jedes Cops einen Fall gab, der alle anderen in den Schatten stellte. Der einen dazu brachte, alles hinschmeißen zu wollen. Und vielleicht Trockenbauplatten zu verlegen. Schon jetzt, ohne die Weisheit des Rückblicks, wusste Sheriff Hauser ganz genau, dass es für ihn dieser Fall sein würde.
    Erst las er die Notizen, bevor er sich den Fotos zuwandte, deren Kanten über den Ordner herausragten. Sheriff Bishop hatte mit den grundlegenden Informationen begonnen, dem ersten Eindruck. Geschlecht: weiblich. Alter: unbekannt. Größe: etwa ein Meter achtundfünfzig. Haarfarbe: unbekannt. Rasse: unbekannt. Augen: braun. Kleidung: nicht verwertbar. Damals, bevor es DNA -Analysen zur Identifizierung gab, hatten sie sich auf Zahnschemata verlassen müssen – ein langwieriges und oft erfolgloses Verfahren. Aber Hauser stieß auf eine Notiz, die Bishop in einen Zwischenraum eingefügt hatte, zehn Stunden nach dem Zeitstempel des Deckblatts. Diese besagte, dass sich eine Übereinstimmung mit dem Zahnschema einer gewissen Mia Coleridge ergeben hatte. Hauser schüttelte den Kopf und schnaubte; heute dauerte die Sequenzierung einer DNA -Probe zweiundsiebzig Stunden, wenn man Glück hatte. Aber damals waren noch eine Menge Laufarbeit und

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