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Bloodman

Bloodman

Titel: Bloodman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Pobi
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menschlicher Einfallsreichtum nötig gewesen – nicht Computer –, um die ganze Chose am Laufen zu halten.
    Hauser las weiter, und die Details verwirrten ihn zunächst. Nach ein paar Zeilen begann er Wörter und Phrasen wiederzuerkennen, und in seinem Kopf formte sich ein hässliches Bild. Nach der ersten Seite hielt er kurz inne, blätterte noch ein Stück weiter und ging dann zu den Fotografien vom Tatort über.
    Schon bevor er sie herauszog, wusste er, was sie zeigen würden. Bishop war auf jene besondere Weise, die Cops so an sich hatten, sehr präzise gewesen. Gegen solch einen Anblick konnte man sich nicht wappnen. Es sei denn, man war eine Art Monster. Er nahm das erste Foto in die Hand und spürte, wie ihm der Atem stockte, das Blut durch die Venen rauschte und ihm das Herz bis zu einem hektischen Neustart des Systems stockte.
    Â»Jesus Christus«, stieß er unwillkürlich hervor. Er starrte das Bild ein paar Sekunden lang an, und obwohl es eine Schwarzweißaufnahme war, spürte er, wie sich Übelkeit in seinem leeren Magen ausbreitete. Dann ließ er das alte Foto auf den Schreibtisch fallen und stöhnte leise.
    Aus dreißig Jahren Entfernung blickte ihn Mia Coleridge an, den Körper von der Leichenstarre verzerrt, die Zähne brüchige, weiße Splitter in einem blutigen Gesicht. Ihre Miene zeigte keinerlei Ausdruck außer dem primitiven, animalischen Zähnefletschen des Schmerzes. Abgesehen davon konnte man sich kaum sicher sein, dass man ein menschliches Wesen vor sich hatte, und schon gar nicht eine Frau.
    Man hatte Mia Coleridge bei lebendigem Leib die Haut abgezogen.

16
    Jake saß zehn Minuten lang in seinem Wagen im Schatten eines Baums auf dem Krankenhausparkplatz und versuchte, sich dazu zu überreden, die Route 27 nach Südosten zu nehmen und nicht mehr anzuhalten, bevor er wieder zu Hause war, bei Kay und Jeremy. Er schaltete das Radio ein und hoffte, sich mit den Berichten über den Sturm von dem abzulenken, was oben im Zimmer seines Vaters geschehen war. Aber der Nachrichtensprecher ging ihm mit seiner Angstrhetorik und Pseudosachlichkeit bald auf die Nerven. Mit einem wütenden »Ach, halt die Schnauze!« schaltete er aus.
    Jake hatte wenig Zeit – im Moment nicht, und sonst eigentlich auch nicht –, aber er musste einen klaren Kopf bekommen. Es gab Arbeit. Nur, dass ihm die in letzter Zeit immer schwerer fiel. Der aufreibende Prozess, die Geheimnisse der Ermordeten so lange in seinem Kopf zu wälzen, bis sie von der Betrachtung geglättet und blankpoliert waren, war sein Alltag. Vielleicht hatte ihn das selbst in einen Ghul verwandelt, ähnlich den Leuten, die er jagte. Denn was gefiel ihm eigentlich an der Arbeit? Es waren die Details, die Nuancen, die diese Monster ausmachten. Die winzigen Unterschiede in ihrer Signatur. Die Art, wie der eine das Messer hielt oder der andere nur mit der linken Hälfte seines Kiefers zubiss. Diese merkwürdigen, kleinen, psychotischen Details, aus denen ihre Persönlichkeit aufzuscheinen begann. Vielleicht wäre es besser für ihn, diese Dinge nicht zu sehen. Wie Hauser, der heute aus Reagans Labor geflohen war, musste vielleicht auch Jake ein wenig von seiner verlorenen Menschlichkeit zurückgewinnen. Es war, als hätte er einen riesigen Schlüsselring in der Tasche, aber die meisten der Schlüssel führten zu abscheulichen Orten, die er besser meiden sollte, weil es ihm immer häufiger so vorkam, als wären sie sein Zuhause. Kay drängte ihn schon seit geraumer Zeit, zu kündigen. Seit einem Jahr. Und sie hatte recht. Herrgott, sie hatte mehr als recht. Er hatte eingewilligt. Es ihr versprochen. Er musste nur noch Carradine Bescheid sagen. Und doch hatte er es nicht getan. Warum nicht?
    Wahrscheinlich war er aus diesem Grund hergekommen, um sich um seinen Vater und sein Mausoleum aus Scotch und Zigaretten und verrückten, düsteren Leinwänden zu kümmern. Mit einem heftigen, übel schmeckenden Schock wurde ihm bewusst, dass nichts, was je zwischen ihm und seinem Vater vorgefallen war, noch von Bedeutung war. Nicht für ihn. Nicht für seinen Vater. Es konnte keinen wie auch immer gearteten Abschluss mehr geben. Diese Tür war zugeschlagen, als sich die ersten Fäden im Verstand seines Vaters aufzulösen begannen.
    Was sollte er tun? Er brauchte Hilfe. Kay kam am Nachmittag. Aber sie konnte ihm nicht die richtige Art von

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