Bloodman
Unterstützung geben, sosehr sie sich auch bemühte. Er brauchte jemanden mit ein wenig Abstand. Jemanden, dem es gleichgültig war, wie schwer ihm die Sache fiel. Einen pragmatischen Menschen. Einen, der seinen alten Herrn kannte. Das Problem war, dass Jacob mit Ausnahme seines Galeristen erfolgreich alle Menschen vergrault hatte, denen etwas an ihm gelegen hatte. Jeden Freund. Jeden Publizisten. Jeden â¦
Jake zog sein iPhone heraus und blätterte mit dem Daumen durchs Menü. Er brauchte ein paar Sekunden, um die Nummer zu finden, aber da war sie, drei Monate alt. Er fuhr die Seitenscheibe herunter und lieà den Daumen über dem Display schweben. Würde Frank kommen, oder hatte Jacob auch diese Brücke hinter sich verbrannt?
Er drückte auf Anrufen.
Computergezwitscher ertönte, dann ein leises, kehliges Flüstern von Statik wie die Stimme des Teufels mit zu hoher Geschwindigkeit, gefolgt von einer Serie von Klicks, mit denen Satellitenverbindungen zustande kamen. Es dauerte beinahe eine halbe Minute, bis das Telefon am anderen Ende zu läuten begann, eine Abfolge von doppelten Klingeltönen, die seltsam fremdartig klangen. Nachdem es fünfzehn- oder sechzehnmal geläutet hatte, meldete sich eine heisere Stimme wie aus einem Werbespot gegen die Gefahren des Rauchens: »Frank Coleridge.«
»Frank, hier ist Jake.«
Frank nahm einen Zug von der Zigarette, die, wie Jake wusste, in seinem Mundwinkel hing, und sagte einfach mit dieser rauen, unverwechselbaren Stimme: »Was liegt an, Jakey?«
»Es geht um Pop.«
»Das â¦Â« â Jake hörte eine Art Rasseln, als würde jemand ein trockenes Blatt zerknittern, während Frank erneut Rauch in die Lunge sog â »... Feuer?«
»Du hast davon gehört?«
»Ja. Fand heute Morgen einen Zettel vor. Der Nachbar hatte ihn unter der Tür durchgeschoben.«
Jake verdrehte die Augen und dachte an die neun Säcke voll Post im Krankenhaus; es war schon erstaunlich, was das Monster der Berühmtheit mit den Menschen anstellen konnte.
Frank fuhr fort: »Ich war drauÃen â¦Â« â ein weiterer Zug von der Zigarette â »⦠auf der Jagd. Bin eben erst zurückgekommen.«
Jake scrollte schnell durch sein geistiges Ablagesystem und versuchte, Franks Feststellung mit den staatlichen Vorschriften abzugleichen. »Ist denn im September Jagdsaison?«
Frank stieà ein düsteres, trockenes Lachen aus. »Keine Saison für gar nichts, Jakey. Ein Bär hatte ein Fohlen gerissen. Ich bin ihm von der Hütte bis in die Berge gefolgt. Ein alter Bursche mit kaputtem Bein. Das Fohlen war so ziemlich das Einzige, was er noch reiÃen konnte. AuÃer vielleicht einem Kind. Ich musste ihn kriegen, bevor es dazu kam. Ich war vier Tage lang unterwegs.«
»Wie hast du ihn erlegt?«
Frank antwortete mit einem tiefen Lachen. »Bleivergiftung. Wie hat dein alter Herr es geschafft, sich selbst in Brand zu setzen?«
»Anscheinend hatte er Ãlfarbe an den Händen. Vielleicht wollte er sich eine Zigarette anstecken oder Holz im Kaminfeuer nachlegen.«
»Ist es schlimm?« Wieder das zerknüllte, trockene Blatt.
»Seine Hände sind zerstört. Er hat drei Finger verloren, und sie sind nicht sicher, ob sie den Rest retten können. Er hat um sich geschlagen und ist durch eine der Glastüren gerannt. Hat sich heftig geschnitten.«
Frank stieà einen Pfiff aus. »Ohne seine Hände, ohne seine Malerei hätte sich dein alter Herr besser gleich mit einer Glasscherbe den Kopf abgeschnitten. Ohne die Malerei ist nicht mehr viel übrig von Jacob Coleridge. Und das, was bleibt, ist ziemlich am Ende.«
»Frank, ich könnte deine Hilfe brauchen. Ich brauche jemanden, der ehrlich zu mir ist. Jemanden, dem ich vertrauen kann. Einen Pragmatiker.«
Wieder entstand eine Pause, während Frank inhalierte und keuchend hustete, ehe er bemerkte: »Wer sagt, dass du mir trauen kannst? Es ist ja nicht so, dass dein alter Herr und ich gut miteinander ausgekommen wären.«
Jake schloss die Augen und lieà den Kopf gegen die lederne Kopfstütze sinken. Es war eine gute Frage. Sogar mehr als gut â stichhaltig . »Frank, hör auf mit dem Mist. Ich vertraue dir, und Vertrauensseligkeit ist nicht meine hervorstechende Eigenschaft. Ich muss mich mit Dads Leben auseinandersetzen und dem, was aus ihm geworden ist. Du glaubst nicht, wie er
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