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Bloody Mary.

Bloody Mary.

Titel: Bloody Mary. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Skullion anreden und wie Dreck behandeln. Der alte Vertel hatte ihn nie leiden können, und er lebte sicher noch, weil im Porterhouse Magazine kein Nachruf gestanden hatte. Skullion saß in seinem Rollstuhl, starrte auf den Vorhang, den sie vor das Heckfenster des Krankenwagens gezogen hatten, und verfluchte sich als Narr.

31
    Purefoy Osbert beobachtete interessiert, wie die Fellows im Gänsemarsch aus der alten Bibliothek kamen. Einen Moment lang dachte er, sie hätten über die Bedrohung gesprochen, die er für den Rektor darstellte, doch die Sitzung war vor seiner Konfrontation mit dem Dekan einberufen worden. Da mußte etwas anderes im Busch sein. Einige Studenten, die im Hof an ihm vorbeigegangen waren, hatten sich darüber unterhalten, daß der Rektor wieder einen Porterhouse Blue bekommen habe und ein Krankenwagen am Rektorenhaus vorgefahren sei. Welche Ursache die Aufregung im College auch haben mochte, Purefoy wollte sie sich unbedingt zunutze machen. Sein Besuch beim Dekan und dessen ohnmächtige und stammelnd vorgebrachte Wut hatten Purefoys Selbstvertrauen enormen Auftrieb gegeben, und die Atmosphäre in Porterhouse schüchterte ihn nicht länger ein. Die Zeremonien und Rituale wie das Einstandsdinner, die archaische Terminologie – »die Absteige«, »der Dekan«, »der Rektor« – waren lediglich theatralische und billige Kunstgriffe, mit denen man leicht zu beeindruckende Hirne narrte und, wie bei einer Freimaurerzeremonie, die Beschränktheit der Funktionäre tarnte, die sich hinter solchen Titeln versteckten. In sämtlichen anderen Colleges, die Purefoy je besucht hatte, war man mit alldem wenigstens ansatzweise selbstironisch umgegangen. Nicht so in Porterhouse. Hier beherrschte die aufgeblasene Wichtigtuerei von Kleingeistern die Atmosphäre. Purefoy Osbert durchschaute diese Heuchelei und wählte sein nächstes Opfer. Es sollte der Obertutor sein. Den fing er ab, als er gerade die Treppe heraufkam.
    »Ach, da sind Sie ja«, sagte Purefoy, aus seiner Tür tretend. »Ich möchte Sie mal kurz sprechen.«
    Der Obertutor sah ihn böse an. Es paßte ihm gar nicht, ohne Titel angesprochen zu werden. Und ganz gewiß wollte er Dr. Osbert nicht »mal kurz sprechen«. »Habe gerade zu tun«, sagte er kurz und betrat seine Wohnung.
    Purefoy Osbert kam hinterher, noch ehe ihm der Obertutor die Tür vor der Nase zuknallen konnte. »Es geht um die Behauptungen des Dekans«, sagte er.
    »Behauptungen? Was zum Teufel reden Sie da?« »Ich hatte gehofft, Sie könnten mir erklären, welche Rolle Sie da gespielt haben«, sagte Purefoy.
    »Meine Rolle? Welche Rolle?« wollte der Obertutor wissen. »In Anbetracht von Skullions Geständnis ist es wichtig, die Ereignisse in die richtige Perspektive zu rücken«, fuhr Purefoy fort. »Der Dekan sagt nun aber ... vielleicht sollte man gerechterweise Ihre Darstellung hören. So können Sie sich spätere Dementis ersparen.«
    Der Obertutor wich schwankend in sein Arbeitszimmer zurück. »Skullions Geständnis?« stieß er hervor. »Was hat Skullion denn gestanden?«
    »Daß er persönlich für den Mord an Sir Godber Evans verantwortlich ist. Aber nur für die eigentliche Mordtat. Die Verantwortung weist er ... Wenn Sie nun der Ordnung halber einfach erklären würden, wie Sie daran beteiligt waren ...« Purefoy brach ab und wartete, wie der Obertutor auf die Unterstellung reagieren würde, er sei an einem Mord beteiligt gewesen. Es dauerte eine ganze Weile. Der Obertutor glotzte ihn entsetzt an.
    »Sir Godber Evans’ Mord?« brachte er schließlich heraus. »Ich hatte ja keine Ahnung.«
    »Das hat der Dekan in seiner Aussage aber anders dargestellt. Also, laut der Zeugenaussage, die Sie bei der Untersuchung machten, waren Sie zum Zeitpunkt des Mordes nicht im College. Wenn Sie diese jetzt ändern möchten ...«
    »Sie ändern? Aber ich war auf Coft Castle, zu Besuch bei Sir Cathcart D’Eath. Dort wurden wir gesehen.« »Wir?« wiederholte Purefoy ungläubig. »Sagten Sie ›wir‹?« »Natürlich sagte ich wir. Der Dekan und ich.« »Ach ja? So hat das der Dekan aber nicht dargestellt«, erwiderte Purefoy. »Aber wenn Sie bei dieser Version bleiben ...«
    »Natürlich bleibe ich bei dieser Version«, schrie der Obertutor. »Es ist verdammt noch mal die Wahrheit.« »Sie brauchen nicht zu schreien«, teilte ihm Purefoy mit. »Warum setzen Sie sich nicht und erzählen mir von diesem sogenannten Alibi? Wenn Sie sich das erst mal von der Seele geredet haben, fühlen Sie

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