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Bloody Mary.

Bloody Mary.

Titel: Bloody Mary. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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denen müssen Sie sich wirklich vorsehen.«
    »Das tue ich immer«, erwiderte der Praelector und entschied, auf den Nachsatz »wenn ich mit Anwälten spreche«, zu verzichten.
    Und so begrüßte an diesem Abend ein scheinbar gütiger alter Herr die Herren Schnabel und Feuchtwangler in einer Ecke des Salons. »Diese unerfreuliche Angelegenheit läßt sich mit Sicherheit gütlicher regeln«, sagte er zu ihnen, als sie es sich einigermaßen bequem gemacht hatten. Mr. Schnabel meinte, er bezweifle das. Und Mr. Feuchtwangler nickte zustimmend. »Unser Klient ist kein gütlicher Mensch«, stellte Schnabel richtig.
    Der Praelector lächelte. »Wer von uns ist das schon«, sagte er. »Doch wir müssen uns mit den Gegebenheiten arrangieren, meinen Sie nicht?«
    Schnabel erwiderte, seiner Ansicht nach verstünde sein Klient dieses Wort nicht.
    »›Gegebenheiten‹ oder ›arrangieren‹?« erkundigte sich der Praelector.
    »Beide«, sagte Schnabel.
    »Jedenfalls muß er einen gut entwickelten Selbsterhaltungstrieb besitzen, um so lange überlebt zu haben«, fuhr der Praelector fort. »Ist Mr. Passos noch in der Stadt?« Schnabel hüstelte. Feuchtwangler schluckte mit trockenem Mund.
    »Darüber weiß ich nichts«, behauptete Schnabel. »Aber natürlich nicht«, pflichtete ihm der Praelector bei. »Das liegt außerhalb Ihres Zuständigkeitsbereiches. Ich schätze jedoch, daß es Ihren Klienten einigermaßen beunruhigt, und könnte mir vorstellen, daß er nur höchst ungern nach Thailand oder Singapur ausgeliefert werden möchte. Meines Wissens ist dort für einige kommerzielle Unternehmungen die Todesstrafe obligatorisch. »Natürlich bin ich in solchen Dingen keineswegs Experte, aber ...«
    »Scheiße«, sagte Schnabel. Das war kein gütiger alter Herr mit Altersflecken an den Händen. Das war der Tod persönlich.
    Der Praelector winkte einen Kellner heran. »Dürfte ich Sie zu einem Drink einladen?« fragte er. Keiner von beiden wollte etwas Stärkeres als Wasser. Der Praelector bestellte einen Fino. »Nun denn, wie eingangs angemerkt, diese Angelegenheit läßt sich sicherlich auf einer gütlichen und für beide Seiten vorteilhaften Basis klären, auf einer Basis, die für Ihren Klienten höchst akzeptabel ist. Natürlich muß ich ihm den Vorschlag persönlich unterbreiten und könnte mir vorstellen, daß er es vorzöge, wenn ich ihn in seinem Büro aufsuchte. Morgen früh habe ich den einen oder anderen wichtigen Termin, aber vielleicht paßt es ihm ja um sechzehn Uhr.« »Ich kann mir nicht denken, daß es ihm zu irgendeiner Zeit ...«, fing Schnabel an, aber Feuchtwangler unterbrach ihn. »Hören Sie«, sagte er, »wenn Sie sagen ›eine für beide Seiten vorteilhafte Basis‹, wäre es für uns bei der Vereinbarung eines Termins hilfreich, wenn wir wüßten, was uns erwartet.« »Natürlich, natürlich«, sagte der Praelector. »Ich verstehe Ihr Anliegen durchaus. Lassen Sie es mich nur so formulieren, daß sich die finanziellen Konsequenzen des Vorschlages, den ich autorisiert wurde, Ihrem Klienten zu unterbreiten, keineswegs negativ auf Ihre Kanzlei auswirken werden. Ganz im Gegenteil. Wie Sie wissen, wurden wir bisher von Waxthorne, Libbott und Chaine in Cambridge vertreten, und natürlich werden wir uns für kleinere Fälle auch zukünftig ihrer Dienste versichern. Doch falls Ihr Klient wie erhofft unseren Vorschlag annimmt, wird das College die Sachkenntnis einer Kanzlei brauchen, die größere Erfahrung auf den Gebieten Finanz- und Handelsrecht hat. Und wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich bin zum Essen mit meinem Patensohn verabredet.«
    In Begleitung der beiden Anwälte ging der Praelector nach draußen zu einem Taxi. »Downing Street«, sagte er laut und deutlich zu dem Fahrer. »Number Eleven«. Schnabel und Feuchtwangler standen vor dem Bürgersteig und sahen dem Taxi nach. Jetzt bezweifelten sie nicht mehr, daß
    ihr Klient den Termin am nächsten Nachmittag wahrnehmen würde.
    Im Taxi lächelte der Praelector vor sich hin, und als sie Whitehall hinunterfuhren, beugte er sich vor. »Ich habe es mir anders überlegt«, sagte er dem Fahrer, als sie in die Mall einbogen. »In der Jermyn Street gibt es ein recht gutes Restaurant. Dort werde ich wohl speisen.«

32
    Während des Lunchs hatte sich die Freiheit verflüchtigt, die der Dekan beim Verlassen des Ratssaals verspürt hatte. An ihre Stelle war Unsicherheit getreten und das Gefühl, daß sich im verborgenen mysteriöse Dinge ereigneten, die das College

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