Bloody Mary.
Ihnen. Kennen Sie die Nummer?«
Der Praelector hatte genug gehört. Er öffnete die Tür und betrat das Zimmer. »Ah, Dr. Osbert«, sagte er gespielt freundlich, »wie praktisch. Hoffentlich störe ich nicht bei einer wichtigen Unterredung?«
Purefoy Osbert stand mitten im Zimmer, mit dem Rücken zum Fenster. Er schwieg, und wegen des von draußen einfallenden Sonnenscheins konnte der Praelector seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen. Doch das Gesicht des Dekans sah er recht gut. Es war aschfahl mit hektischen lila Flecken. »Er beschuldigt mich, Sir ... Sir ... Sir Godbers Ermordung angestiftet zu haben«, brachte der Dekan heraus. »Er behauptet ...«
»Das kann gar nicht sein«, warf der Praelector ein, der sich immer noch unbekümmert gab. »Dr. Osbert ist sicherlich nicht so dumm, derartige durch nichts gerechtfertigte Anschuldigungen zu machen. Er erfüllt lediglich seine Vertragsbedingungen als Gedächtnis-Fellow, und wir alle wissen, welche Sicht Lady Mary von der Angelegenheit hat. Für eine Witwe ist das verständlich, und da wir einen Rektor im fortgeschrittenen Stadium von alkoholbedingtem Altersschwachsinn haben, erscheinen solche Vermutungen leider nur allzu plausibel.« Er wandte sich an Purefoy. »Sie haben vermutlich mit dem armen Skullion gesprochen?« Er hielt kurz inne und lächelte. »Der arme Mann hat leider einen Schuldkomplex entwickelt, eine zweifellos durch seinen Schlaganfall und das schwere Los seiner Stellung als sogenannter Rektor herbeigeführte Wahnidee. Er war seinerzeit ein exzellenter Chefpförtner. Daß er Alkoholiker geworden ist, können wir ihm wohl kaum zum Vorwurf machen.« Purefoy Osbert schaute in die blauen Augen, in denen er ein verstohlenes Lächeln ausmachte, und wußte, daß er seinen Meister gefunden hatte. »Ich habe keine Anschuldigungen vorgebracht«, sagte er. »Ich wollte lediglich wissen, was der Dekan denkt. Ich glaube, das habe ich erfahren.« Und ohne ein weiteres Wort verließ er das Zimmer. Während sich seine Schritte über die Treppe entfernten, half der Praelector dem Dekan aus seinem Sessel.
»Kommen Sie«, sagte er, »wir haben es eilig. Der Rat tritt in fünf Minuten zusammen, und ich muß vorher noch einmal telefonieren.«
»Dieser gräßliche Mensch ...«, begann der Dekan, doch der Praelector hob einen Finger an die Lippen und horchte. Das Geräusch einer Krankenwagensirene wurde lauter. »Sie kommen den Rektor holen«, sagte er und ging voran auf den Hof.
Die außerordentliche Sitzung des Collegerats war alles andere als vergnüglich. Selbst der Obertutor und Dr. Buscott, die offenbar spürten, daß etwas noch nie Dagewesenes in der Luft lag, hielten sich merklich zurück. Der Dekan, immer noch von Purefoy Osberts ruhig vorgetragener Vermutung erschüttert, er habe sich mit Skullion verschworen, Sir Godber zu ermorden, war nur noch in der Lage, sich mit allem einverstanden zu erklären, was der Praelector vorschlug, obwohl er genausowenig wie der Schatzmeister dessen Argumentation folgen konnte oder die Konsequenzen begriff.
»In erster Linie sind wir heute hier, um das Abdanken des Rektors zur Kenntnis zu nehmen«, verkündete der Praelector. »Während der Nacht hat sich sein Zustand soweit verschlechtert, daß er nicht mehr in der Lage ist, die wenigen Pflichten zu erfüllen, auf die seine Tätigkeit beschränkt war. Diese Tatsache sowie seine Geistesverfassung zwangen ihn, seine Stellung als Rektor aufzugeben, da er non compos mentis ist. Bis der neue Rektor ernannt worden ist, befinden wir uns somit in einer Phase des Interregnums. Ja, Dr. Buscott?«
»Ich wüßte nur gern, ob Skul ... ob der ehemalige Rektor sein Recht wahrgenommen hat, seinen Nachfolger zu nominieren«, sagte Dr. Buscott. »Und wenn das der Fall ist, ob diese Ernennung in Anbetracht seines Zustandes irgendeine Rechtsgültigkeit besitzt.«
»Das ist eine völlig berechtigte Frage, zu der ich heute morgen die Collegeanwälte konsultiert habe. Sie haben mir ihre Ansicht mitgeteilt, und zwar: Unter den Umständen, daß der Rektor nicht in der Lage ist, eine rationale Entscheidung zu treffen, obliegt die Ernennung eines neuen Rektors dem Collegerat, und falls der Rat sich nicht einigen kann, fällt die Angelegenheit automatisch auf die Krone zu. Oder, um es präziser zu formulieren: dann wird die amtierende Regierung einen neuen Rektor einsetzen.« Er hielt inne und blickte in die Runde. »Ich für mein Teil bin strikt gegen letztere Vorgehensweise. Wir haben bereits
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