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Bloody Mary.

Bloody Mary.

Titel: Bloody Mary. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Plötzlich erkannte er, worauf es ankam, und er fand eine verblüffende Lösung.
    Sie war so verblüffend, daß er sich im Bett aufrichtete und gegen die Kissen gelehnt darüber nachdachte. Und obwohl er die Sache von allen möglichen Seiten beleuchtete, fand er keinen Pferdefuß. Andererseits war seine Idee so außerordentlich verwegen, daß er kaum wagte, sie ernsthaft in Betracht zu ziehen. Eine Stunde lang lag er auf die Kissen gestützt da, suchte nach einer gemäßigteren Alternative und fand keine. Schließlich sah er ganz deutlich vor seinem inneren Auge, was er tun mußte, und in der klaren Gewißheit, einen Ausweg zur Rettung von Porterhouse gefunden zu haben, glitt er tief unter die Decke und schlief weiter.
    Um halb acht wachte er wieder auf. Er badete und rasierte sich, und dann nahm er wie jeden Morgen nackt vor dem Garderobenspiegel Aufstellung und betrachtete seinen langen hageren Körper mit leidenschaftsloser Akzeptanz, sein Tribut an die Realität. Er sah, was er geworden war – ein alter Mann mit spindeldürren Beinen, leicht gebeugt, aber mit klaren blauen Augen über einer langen Nase und festen, wenn auch schmal gewordenen Lippen. Danach kleidete er sich sorgfältiger als gewöhnlich an und entschied sich für seinen Lieblingsanzug, ein sehr altes Stück, das er so selten trug, daß es aussah, als habe Dege es erst vor einer Woche geschneidert. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß seine Krawatte von so unauffälliger Eleganz war wie der Anzug, begab er sich über den Umweg Rektorenhaus zum Frühstück.
    »Teilen Sie den leitenden Fellows freundlicherweise mit, daß um elf Uhr dreißig eine außerordentliche Sitzung des Collegerats stattfinden wird«, sagte er zu Walter. »Es ist äußerst wichtig, daß möglichst viele anwesend sind.« Mit diesen Worten ließ er den Chefpförtner stehen und überquerte den Alten Hof in Richtung Speisesaal.
    »Es steht was Ernstes an«, sagte Walter zu dem Unterpförtner. »Wenn sie Außerordentliches sagen, ist nicht mit ihnen zu spaßen. Und wenn der Praelector die Melodie vorgibt, dann tanzt man dazu.«
    Den restlichen Vormittag nutzte der Praelector zu diversen Gängen. Er suchte die Kanzlei von Waxthorne, Libbott und Chaine auf, wo er mit Mr. Retter eine halbe Stunde verbrachte. Zurück ließ er einen konsternierten und zutiefst beunruhigten Anwalt, der über die Brisanz der Lage in Porterhouse keinerlei Zweifel mehr hegte. Anschließend nahm der Praelector ein Taxi zum Haus des Schatzmeisters, und nach einem ebenso kurzen wie erbitterten Wortwechsel, in dessen Verlauf ihm der Praelector mit tödlicher Klarheit aufzeigte, welche Alternativen die Zukunft für ihn bereithielt, schluckte der Schatzmeister drei Tabletten und begleitete ihn zurück nach Porterhouse. »Ich muß ein paar Telefonate erledigen, aber Sie können unterdessen mit nach oben in meine Wohnung kommen und Platz nehmen«, sagte der Praelector. »Und solange Sie meinen Anweisungen folgen, sind Sie in Sicherheit.« Der Schatzmeister entgegnete, er fühle sich bereits in Sicherheit, doch sehr überzeugend klang das nicht.
    Als sie unter den Fenstern des Dekans vorbeigingen, ließen laute Stimmen vermuten, daß dort heftig diskutiert wurde. Der Praelector blieb stehen und horchte. Er war genausosehr gegen das heimliche Belauschen von Gesprächen wie gegen das Lesen von Briefen fremder Menschen, doch im Laufe der Nacht hatte er sämtliche moralischen und gesellschaftlichen Konventionen über Bord geworfen.
    »Sie ... Sie ... wagen es, hierherzukommen und ... und mich zu bedrohen ... Sie ... erdreisten sich zu ... zu behaupten, ich hätte den Mo ... Mord an dem verstorbenen Rektor angestiftet?« stammelte der Dekan.
    »Sagen Sie es mir«, antwortete eine leise, ruhige Stimme. »Sagen Sie es mir, und ich sage Ihnen, was Sie getan haben.« Es wurde still. Selbst der Schatzmeister merkte, wie bedrohlich diese kühle und berechnete Aussage war. Er wimmerte.
    Der Praelector zögerte kurz, bevor er den Schatzmeister aufforderte, in sein Zimmer zu gehen und dort zu warten. Dann ging er rasch ins Haus und die Treppe hinauf. Oben angekommen, hörte er die erstickte Stimme des Dekans. »Sie ... Sie erbärmlicher kleiner Gerne ... Gernegroß«, versuchte er zu rufen. »Ich werde ... juristisch ... gegen Sie vorgehen. Ich werde ...«
    »Aber natürlich«, unterbrach ihn Purefoy Osbert mit ebenso eiskalter wie selbstsicherer Stimme. »Aber natürlich, rufen Sie die Polizei. Das Telefon steht direkt neben

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