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Bloody Mary.

Bloody Mary.

Titel: Bloody Mary. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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sich gleich viel besser.« Der Obertutor setzte sich, ohne zu überlegen. Er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. »Ich muß mir nichts von der Seele reden. Über den Mord an Sir Godber Evans weiß ich nichts. Ich wußte nicht einmal, daß er ermordet wurde. Keiner hat mich informiert.«
    Purefoy Osbert lächelte, und dieses Lächeln sagte, daß man den Obertutor wohl kaum zu informieren brauchte. »Als Sie früher an dem tragischen Abend mit ihm sprachen, was genau sagten Sie da zu ihm?«
    »Zu ihm sagte? Was ich zu wem sagte, lieber Himmel?« »Zu Skullion natürlich.«
    »Aber ich habe an dem Abend überhaupt nicht mit ihm gesprochen. Was zum Teufel sollte ich mit Skullion besprechen?«
    »Das möchte ich ja von Ihnen hören«, sagte Purefoy Osbert. »Laut Dekan waren Sie derjenige, welcher ...« »Scheiß auf den Dekan«, rief der Obertutor. »Mir ist völlig egal, was dieser dämliche Drecksack behauptet, ich sage Ihnen, ich bin an dem Abend nicht mal in Skullions Nähe gewesen ...«
    »Genau«, unterbrach ihn Purefoy, »der Dekan ist also ein Lügner und ...«
    »Hören Sie«, brüllte der Obertutor, »ich weiß nicht, ob dieser Mensch ein Lügner ist oder nicht. Was ich dazu ...« »Dann sagen Sie also jetzt, seine Darstellung Ihrer Handlungen ist korrekt?«
    Der Obertutor sah sich hektisch im Zimmer um. Purefoy Osbert erkannte dieses Symptom wieder. Genauso hatte er sich in Mrs. Ndhlovos Wohnung gefühlt. Er beschloß, der Moral des Obertutors einen weiteren Schlag zu versetzen. »Wie Sie wissen, wurde der Rektor, Skullion, heute morgen weggebracht ...«
    Das genügte. Der Obertutor wußte es augenscheinlich, doch bis zu diesem Moment war ihm die ganze Tragweite der außerordentlichen Sitzung nicht aufgegangen. Die Aussage des Praelectors, Skullion sei non compos mentis, verstand er nur allzu gut. Seiner ehrlichen Meinung nach war Latein völlig ungeeignet, um den Geisteszustand dieses Mannes zu beschreiben. Er hatte eindeutig nicht mehr alle Tassen im Schrank. Doch das gleiche galt für den verfluchten Dekan, wenn man’s recht bedachte. Der Obertutor stellte sich vor, daß die Polizei Skullion bereits verhörte und bald ihre Ermittlungen in Porterhouse fortsetzen würde. Und der Dekan mußte irgendwie an dem Mord beteiligt sein, sonst würde er ihn nicht diesem Schwein Osbert gegenüber anschwärzen. Der hoffnungslos verwirrte Obertutor kam zu einem Entschluß. »Also, schön, eins werd ich Ihnen verraten«, sagte er. »Der Dekan kam auf die Idee, daß wir an jenem Abend zum Coft Castle fuhren. Er schlug es beim Dinner vor, und ich weiß noch, wie überrascht ich war. Ich sagte sogar, das käme nicht in Frage, aber er bestand darauf, trotz meiner Einwände.« »Verstehe«, sagte Purefoy nach einer vielsagenden Pause. »Da haben wir vom Dekan etwas ganz anderes gehört. Er sagte, Sie hätten darauf bestanden, an jenem Abend das College zu verlassen. Er sagt ...«
    »Dann ist er ein elender Lügner«, rief der Obertutor. »Ich werde Ihnen genau sagen, was er gesagt hat.« Zehn Minuten später ging Purefoy Osbert. Der Obertutor hatte ihm einige ganz erstaunliche Informationen geliefert. Er hatte sozusagen einen völlig neuen Kriegsschauplatz eröffnet, durch den General Sir Cathcart D’Eath mit ziemlicher Sicherheit zu einem Wutausbruch und neuen Indiskretionen provoziert würde. Wie der Dekan darauf reagieren würde, konnte Purefoy sich nicht vorstellen. In seinem Zimmer überprüfte er seinen Mini- Kassettenrecorder und legte eine neue Kassette ein. Dann ging er nach unten in den Fellows’ Garden. Nun hatten ihm Mrs. Ndhlovo und ihre Freundin schließlich doch einen guten Dienst erwiesen.
    Der Praelector nahm einen Zug nach London und bestieg ein Taxi zum Hotel Goring. Normalerweise bevorzugte er bei seinen seltenen Besuchen in der Hauptstadt eine bescheidenere Unterkunft am Russell Square, doch das Goring umgab eine Aura solider Ehrbarkeit, und der Praelector wußte, daß er unter diesen Umständen alle Solidität und Ehrbarkeit brauchte, die er nur kriegen konnte. Dort empfing er Schnabel und Feuchtwangler zu einer auf seinen Wunsch angesetzten zwanglosen Besprechung. Der zutiefst beunruhigte Mr. Retter hatte sich dagegen ausgesprochen. »Sie werden mit Menschen ...« –Mr. Retter hatte bei dem Wort gezögert und beinahe »Rechtsverdrehern« gesagt – »... zu tun haben, die für Honorare, wie sie sie bei Transworld erhalten, ihren Großmüttern bei lebendigem Leib die Haut abziehen würden. Vor

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