Bloody Mary.
Mary dafür bezahlt, daß Sie herausfinden, wer ihren Mann umgebracht hat. Und jetzt wissen Sie’s.« Purefoy schwieg. Er wartete darauf, daß Skullion es ihm sagte.
»Und soll ich Ihnen verraten, woher Sie’s wissen? Weil Sie an dem Abend im Labyrinth gesessen haben, als ich mich mit Hardy’s Ale besoffen und dem Dekan gedroht habe, was ich tun würde, falls sie mich hierherschickten, und da haben Sie gelauscht.« Er kicherte. »Ich konnte Sie sozusagen lauschen hören. Wissen Sie das?« Erneut hielt er inne. »Ich hörte Sie, weil ich wußte, daß Sie kaum geatmet haben. Und wenn das unverständlich klingt, denken Sie drüber nach.« Purefoy versuchte es. Er fürchtete sich immer noch vor dem Mann im Rollstuhl, der so absolut nicht schuldbewußt von seinem Mord an Sir Godber erzählt hatte, und jetzt regte sich diese Furcht erneut. Doch etwas war anders. Unter dieser lächerlichen Melone arbeitete ein reger Verstand. Ein geschulter Verstand, der jahrelang beobachtet, zugehört und gewartet hatte, daß jemand etwas tat, um dann selbst einen völlig unerwarteten Haken zu schlagen. So wie gerade eben, als Skullion Purefoy gesagt hatte, er wisse, daß er an jenem Abend im Labyrinth gewesen sei.
»Und jetzt soll ich Ihnen alles darüber erzählen«, fuhr Skullion fort, »und dazu bin ich auch bereit. Ich bin bereit, Ihnen alles zu sagen, was ich weiß, alles. Aber nicht ohne Gegenleistung. Und damit meine ich nicht Geld. Ich habe auf meinem Bankkonto, was man ausreichende Mittel nennt. Ich meine etwas anderes.«
»Und das wäre?« fragte Purefoy.
Skullion musterte ihn kurz. »Ich will hier weg. Das will ich. Hier raus. Und allein schaff ich das nicht. Mir ist nur eine einzige Möglichkeit eingefallen, und zwar, daß ich mich mit eigener Kraft da rausrolle und im Watt ertränke, was ich aber nicht vorhabe, außer es geht gar nicht anders. Nein, Sie fahren zurück, holen einen Transporter, ein Seil und eine Taschenlampe, kommen heute nacht um eins wieder her, und dann holen Sie mich am Tor ab, und wir fahren irgendwohin, wo ich Ihnen alles erzähle, was ich weiß. Das sind meine Bedingungen.«
»Das läßt sich vermutlich einrichten«, sagte Purefoy ein wenig unsicher. »Aber das Tor ist verschlossen, mit Kette und Vorhängeschloß. Diese Frau kam vorhin raus und hat es aufgemacht.«
»Und hier gibt es einen Schlüssel«, teilte ihm Skullion mit. »Und falls nicht, der Zaun ist so morsch, daß man ihn eintreten könnte. So oder so, das sind meine Bedingungen. Ein Wagen, der groß genug ist, daß dieser Rollstuhl hineinpaßt, und das Seil nicht vergessen. Das wär alles. Um eins.« Damit beendeten sie ihren Besuch, gingen zum Auto zurück und fuhren die Fish Lane rauf zur Hauptstraße. »Ich frage mich, was er wohl vorhat«, sagte Purefoy. »Ist dir so ein Mensch schon mal begegnet?«
»Was auch immer ihm durch den Kopf geht, du wirst es erfahren, wenn du ihn da rausholst. Was für ein schrecklicher Ort. Und dieses gräßliche Weib.«
»Und du meinst wirklich, wir sollten tun, was er will? Und wenn er nun stirbt oder so was?«
»Purefoy, du denkst einfach zuviel. Tu doch zur Abwechslung mal etwas.«
Sie mieteten in Hunstanton einen Transporter und kauften ein Nylonseil. Den Rest des Tages gingen sie am Strand spazieren, hockten in Cafés herum und fragten sich, was Skullion ihnen wohl erzählen würde. Und sie machten sich Sorgen – Purefoy jedenfalls. So etwas hatte er noch nie im Leben getan. Um elf Uhr abends stellten sie den Renault in einem Seitenweg ab, fuhren mit dem Lieferwagen die Küstenstraße hinunter in Richtung Burnt Overy, parkten abseits der Küste auf einem Weg und warteten. Um zehn vor eins stand der Transporter mit ausgeschalteten Scheinwerfern vor dem Tor. Hinter dem Zaun sahen sie die Umrisse des Hauses. In einem Eckfenster brannte noch Licht, doch auch das ging bald darauf aus.
Purefoy stieg aus und rüttelte am Tor. Es war verschlossen.
»Ich hoffe bei Gott, er hat den Schlüssel«, sagte er. »Ich halte nichts davon, den Zaun einzutreten. Das würde einen Heidenlärm machen.«
Vom Meer her hörte man das Platschen der Wellen auf dem Watt. Mittlerweile war Flut, der Wind hatte aufgefrischt, und weit draußen sah man die Lichter eines vom Kontinent kommenden Schiffes, das nach King’s Lynn unterwegs war. Purefoy ging zitternd zu dem Ford Transit zurück, um nachzusehen, ob die Hecktüren schon offenstanden, damit sie Skullion und den Rollstuhl rasch hineinheben konnten. Er hatte das
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